Seit bestimmt tausenden von Jahren wird es allen Müttern erzählt: das Märchen von der Übermutter. Einer Frau, die Karriere, Kind und Karibik-Urlaub mit dem Ehemann so perfekt unter einen Hut kriegt, dass sie sogar noch Zeit (und Lust) findet, vier Mal die Woche zum Bikram Yoga zu gehen und die Unverschämtheit besitzt, bereits nach wenigen Wochen „nur Stillen“ wieder in ihre alten Miniröcke zu passen.

Sollte eine dieser Frauen gerade zufällig (oder mit voller Absicht) auf diesen Artikel gestoßen sein: NICHT WEITERLESEN! Wenn es dich wirklich gibt, geh dir lieber in aller Ruhe den Ansatz nachblondieren und anschließend biodynamischen Brokkoli kaufen, den deine perfekten Überkinder ja viel lieber essen als Gummibärchen, Kekse und Fleischwurst.

Das ist ein Artikel für echte „Rabenmütter“. Ein Hoch auf euch, ihr tapferen Frauen, die ihr jeden Tag daran scheitert, perfekt zu sein. Und da ich berufstätige Rabenmutter tatsächlich irgendwann mein Kind aus dem Kindergarten abholen muss (mit ungewaschenen Haaren und um die Hüfte ein bisschen zu engen Jeans) und keine Zeit habe, euch zu erzählen, wie genau das Entspannt-Mutter-Sein funktioniert, überlasse ich das Wort den vier US-amerikanischen Rabenmüttern Laurie Kilmartin, Karen Moline, Alicia Ybarbo und Mary Ann Zoellner, deren gleichnamiges Buch einen Tag lang meinen langen Weg zur Arbeit erträglicher und mein schlechtes Mama-Gewissen etwas unsicht- und unhörbarer gemacht hat. Wenn ihr, die gerade weiterlesen und sich fragen, worauf ich eigentlich hinauswill, wissen wollt, wie entspanntes Mutter-Sein funktioniert – lest dieses Buch.

Nehmt es nicht zu ernst, lacht einfach herzlich, erzählt euren Freundinnen davon und lernt zum Beispiel eine der wichtigsten Regeln für ein entspanntes Wochenende mit Kind(ern): Mutter + Schlaf = Kekse + Zeichentrickfilme. So einfach ist das. Und wenn euer Kind den DVD-Player und Fernseher noch nicht alleine bedienen kann, lasst ihn einfach die ganze Nacht bei geschlossener Wohnzimmertür laufen. Totale Energieverschwendung – aber das ist Sonntag morgens aufstehen auch. Und wenn euch jemand an den Kopf wirft: "Das ist aber schlecht für das Kind!", werft einfach ein: "Eine dauerhaft unausgeschlafene Mutter ist noch schlechter für das Kind." zurück. Denn wir wissen alle: Gute Rabenmütter haben Kekskrümel in den Sofaritzen, Fertigkakaoflecken auf dem Teppich und um zehn Uhr morgens noch den Pyjama an. Aber vor allen Dingen haben sie glückliche Kinder (ebenfalls im Pyjama, bei Dauerregen sogar bis Montag Morgen).

In den mit viel Selbstironie auf den Punkt gebrachten Szenarien von Rabenmütter verbirgt sich ganz schön viel Wahrheit. Und auch wenn ich zu den in Kapitel 26 zu hart und zu Unrecht verunglimpften jungen Müttern gehöre und „Väter im Erziehungsurlaub“ (der dann aber mindestens sechs Vollzeit-Erziehungs-Monate dauern sollte) zum Beispiel für eine der besten Erfindungen überhaupt halte, hat mich dieses Buch doch darin bestärkt, nicht alles so verkrampft zu sehen.

Wenn ich das Milchbrötchen, das meinem Sohn beim abendlichen Einkauf auf den Supermarktboden gefallen ist, aufhebe, kurz abpuste und ihn weiter essen lasse, mache ich es jetzt stets mit dem Gedanken an all den Spielplatzsand, den er sich schaufelweise in den Mund geschoben hat. Das hat ihm schließlich auch nicht geschadet.

Bist du eine Rabenmutter? Mach den Test:

Rabenmütter

Solange die Kinder überleben, ist alles erlaubt
Laurie Kilmartin, Karen Moline
Alicia Ybarbo, Mary Ann Zoellner
erschienen bei GOLDMANN
ISBN: 978-3-442-15762-4