Interview: Leonie Habisch
Als ich mit Karoline Herfurth spreche, ist die Premiere von "SMS für dich" in Berlin noch keine 24 Stunden her. Obwohl sie den wohl aufregendsten Abend ihres Lebens hinter sich hat, klingt sie ausgeruht. Freundlich und mit Geduld beantwortet sie alle Fragen - von Starallüren ist nichts zu merken. Stattdessen festigt sich der Eindruck einer Power-Frau des deutschen Films.

Können SMS überhaupt romantisch sein?
Ich habe gar nichts gegen Liebe im digitalen Zeitalter. Eine SMS kann sehr romantisch sein. Das ist ja quasi wie ein kleiner Brief, den man da bekommt. Am romantischsten ist es immer, wenn man lange auf eine Nachricht gewartet hat und sie dann endlich bekommt. Ich habe auch keine negative Einstellung zu Dating Apps und Plattformen. Ich selbst habe das noch nie ausprobiert, kenne aber viele Menschen, die darüber jemanden kennengelernt haben, mit dem sie jetzt sehr glücklich sind. Man muss einfach wissen, auf was man sich einlässt, was man da will, wo man sich befindet und welches Dating Portal für was gut ist.

Wie wichtig sind Smartphones für eine Beziehung?
Ich glaube, dass die Liebe sich in ihrer grundsätzlichen Verfassung nicht geändert hat. Jetzt gibt es neue Formen. Aber die Liebe an sich funktioniert ganz unabhängig davon – oder eben auch nicht.

Die Liebesgeschichte von "SMS für dich" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Sofie Cramer. Was hat dir daran am besten gefallen?
In diesem Roman ist alles drin gewesen, was ich von einem Film möchte. Er hat einen starken emotionalen Grundboden, der sehr ernsthaft und tiefgründig ist. Darauf kann man humorvoll und romantisch sein. Man kann eine große Liebesgeschichte mit komödiantischen Elementen haben, die genau die richtige Balance bildet, die ich mir gewünscht habe.

Wie wurde aus dem Buch ein Film?
Dabei haben wir uns viele dramaturgische Fragen gestellt. Ein Roman erzählt schließlich ganz anders als ein Film und da gab es verschiedene kreative Entscheidungen, aber ich glaube, dass alle Grundaussagen und der Kern des Romans im Film stecken. Nach der Drehbucharbeit und dem Castingprozess hatte ich zwei Monate Vorbereitung für den Dreh. Da haben wir Motive gefunden, die Sets eingerichtet, die Charaktere und Figuren gebaut durch Maskenproben, Kostümproben und das Szenenbild. Da wird schon viel entschieden, auch in welchen Einstellungen jede Szene aufgenommen wird und so weiter. Und dann haben wir diese Vorbereitung im Dreh umgesetzt.

Wie konntest du da den Überblick behalten?
Ich hatte ein ganz großartiges Team, das mich durch viele Prozesse geführt hat, die ich noch nie erlebt habe. Wir haben geprobt, das auf dem Bildschirm angeguckt, vielleicht nochmal Sachen verändert, ob technischer oder inhaltlicher Natur. Dann habe ich gespielt, quasi die Seiten gewechselt, und wenn ich das Gefühl hatte, das Richtige war da, habe ich wieder die Seite gewechselt, habe mir die Szene auf dem Bildschirm angesehen und habe geguckt, ob das da war, was ich mir gewünscht habe. Natürlich gab es auch Tage, an denen ich nur Regisseurin war, an denen ich keine Szenen zu spielen hatte. Das war ein Gewöhnungsprozess, die Abläufe kennenzulernen und sich daran zu halten.

Du bist gleichzeitig Regisseurin und Schauspielerin gewesen. Wer hat dir Regieanweisungen gegeben?
Ich hatte einen Regie-Assistenten und Produzenten am Set, aber eigentlich habe ich mir in der Doppelfunktion selbst Anweisungen gegeben.

Was hast du beim Regieführen gelernt?
Offen zu sein für die Vorschläge von allen Beteiligten, die aufzunehmen, auszuwerten und dann in die eigene Vision umzusetzen. Eine Geschichte wird nicht nur von einer Person erzählt, sondern von allen. Das habe ich gelernt, dass eine Geschichte ein Gesamtpaket ist. Ich habe gelernt, allen Mitarbeitern mit großem Respekt und Demut gegenüberzutreten, weil ich ohne sie verloren wäre. Ich habe gelernt, Entscheidungen sehr schnell zu treffen und Anweisungen zu geben. Ich habe auch gelernt, dass das Wichtigste bei einem Film ist, dass die Menschen, die Teil des Films sind und ihn mit bauen, die Möglichkeit haben, dem Film ihr Herz zu schenken. Weil ich glaube, dass es bei einem Film viel ausmacht, wie viel Herzblut des Einzelnen da drinsteckt. Das sieht man auf der Leinwand.

Jetzt wo du deinen ersten Spielfilm gedreht hast: Was hättest du am Anfang des Projekts gerne gewusst?
Eigentlich war es genauso, wie es war, schön – da neu zu sein, in eine neue fremde Welt entführt zu werden – mit Profis an meiner Seite, die mich dabei begleitet haben. Einen Film in die Kinos zu bringen, der einem so viel bedeutet, heißt große Anspannung. Ich bin ganz froh, dass ich nicht wusste, wie aufregend sich das anfühlt.

Wie war denn die erste Premiere als Regisseurin?
Das war einer der aufregendsten Momente meines Lebens, als ich bei diesem riesigen Aufbau ankam mit dem großen Plakat – alles leuchtete. Das war wirklich ein sehr besonderer Moment für mich.

Wie geht es weiter, jetzt wo der Film fertig ist?
Wir müssen den Film erstmal in die Kinos bringen, gehen auf Kino-Tour, begleiten den Film durch Deutschland. Da freue ich mich schon sehr drauf. Ich bin natürlich sehr gespannt, wie der beim Publikum ankommt und dann drehe ich im Herbst noch einen anderen Film: Die kleine Hexe von Otfried Preußler. Dann beende ich erstmal dieses Jahr, bin glücklich und werde sortieren, wie es dann weitergeht.

Wie kam es überhaupt dazu, dass du jetzt auch hinter der Kamera stehst?
Ich habe mal einen Kurzfilm gemacht. Das war eigentlich eine Schnapsidee unter Freunden, die sich zu einem immer größeren Projekt entwickelt hat und dadurch habe ich das erste Mal sowas wie Regie geführt und in die verschiedenen Bereiche reingeschnuppert, die dazu gehören. Das hat mir großen Spaß gemacht. Das Projekt "SMS für dich" wurde mir von Warner angeboten. Ich hatte große Lust drauf und konnte nicht Nein sagen.

Trauen sich zu wenige Frauen, solche Angebote anzunehmen?
In der Arbeitswelt gibt es eine Ungleichheit zwischen Männern und Frauen. Das ist wissenschaftlich erfasst, das kann man gar nicht weg reden. Aber das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass die Filmbranche natürlich genauso betrifft wie viele andere.

Was kann das ändern?
Ich glaube, es hat viel mit Gewohnheit und Geschlechterrollen zu tun, mit dem Eintritt ins Familienleben und der damit verbundenen Aufteilung in traditionelle Rollen. Da muss es strukturelle Veränderungen geben am Arbeitsmarkt. Der muss flexibler werden für Familien, denn Familie und Arbeit sind immer noch schwer miteinander zu vereinbaren. Zum anderen ist es aber auch notwendig, Bilder und Gewohnheiten aufzubrechen.

Du hast Soziologie und Politikwissenschaften an der Humboldt Universität in Berlin studiert. Haben diese Ansichten mit deinem Studium zu tun?
Ich liebe diese theoretische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit genau solchen Themen, die wir gerade besprochen haben. Als ich Zeit hatte, ausführlich zu studieren, habe ich es sehr geliebt. In der Theorie könnte ich mir sogar vorstellen, den Film dafür zu verlassen. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlen würde, komisch wäre es sicher und es würde mir sehr fehlen. Ich hoffe sehr, dass ich nochmal Zeit finde, zu studieren. Das Studium verändert mich als Mensch und damit auch alles, was ich mache.

Was außer "SMS für dich" ist dir gerade wichtig?
Mir ist wichtig, dass wir schlechtes Wetter haben, aber auch nur wegen des Films. Mir ist außerdem wichtig, dass alle Menschen in Berlin am 18. September ausnahmsweise nicht ins Kino gehen, sondern zu den Wahlen in Berlin.

SMS für dich

ab 15. September 2016 im Kino
Regie: Karoline Herfurth
FSK: ohne Altersbegrenzung

Mit Karoline Herfurth, Friedrich Mücke, Nora Tschirner, Frederick Lau und Katja Riemann