Vor 16 Jahren reiste Kornelia Santoro auf einem Motorrad zwei Jahre allein durch Indien – und ist dort geblieben. Seit 1996 lebt die heute 48-Jährige mit ihrem italienischem Mann Alberto und ihrem elfjährigen Sohn in Goa. Im Dezember 2010 hat die ehemalige Journalistin und Autorin aus Bayern ihr erstes Kochbuch, "Kornelia‘s Kitchen: Mediterranean Cooking for India" veröffentlicht, darin bringt sie Indien die Geheimnisse der mediterranen Küche näher.

Interview: Anna Werr für amicella / Januar 2011

Vor circa 16 Jahren bist Du auf einem Motorrad zwei Jahre allein durch Indien gereist. Wie war das damals?

Ich kam nach Delhi, da stand dieses Motorrad in rot und Chrom, eine schwere alte Militärmaschine mit einem super Motor – eine Royal Enfield – die man allerdings noch per Kick starten musste. Ich konnte noch gar nicht Motorrad fahren, darum bin ich erst mal mit der Maschine im Zug von Delhi nach Goa.

Am Anfang musste ich mich jedes mal überwinden die Maschine anzuwerfen. Toll war es immer, als ich in Goa vor dem Chaishop vorgefahren bin. Wo natürlich alle geschaut haben, so eine Royal Enfield klingt wie eine Harley Davidson und dann noch dazu als Frau. Peinlich war nur, dass ich zum Starten in den ersten Wochen immer Hilfe von den Typen aus dem Chaishop holen musste, weil ich nicht genug Kraft hatte um das Motorrad anzuwerfen. Den ersten Teil der Reise bin ich mit zwei Typen nach Bombay rauf und von da haben wir den Zug nach Delhi genommen. Dann bin ich alleine weiter in den Norden Indiens, in die Berge. Tagsüber ist das alleine auch nicht weiter gefährlich. Nur einmal bei einem Kettenriß, habe ich in einem Militärcamp gefragt, ob sie mir mit Ersatzteilen aushelfen können. Ich wollte zu meinem Schlafplatz zurückgebracht werden, da es mir als Frau alleine zu gefährlich wurde. Ich hab mich in einem Jeep mit zwei Soldaten auf den Weg gemacht und auf halben Weg versuchten sie mich zu vergewaltigen, ich hab geschriehen wie am Spieß. Sie haben erst einmal abgebrochen und es dann noch einmal versucht, ich hab wieder geschriehen, bis sie mich aus dem Jeep warfen und dann davonfuhren.

In Ladakh habe ich mich erholt. Das Motorrad hab ich auf dem Rückweg in Manali reparieren lassen. Von dort bin ich allein über Rajasthan und Puna nach Goa gefahren. Diese Reise war super und ansonsten überhaupt nicht gefährlich, das war eine meiner besten Reisen. Das Problem als Frau ist nur, dass man schon vorsichtig sein muss, wenn es dunkel wird, tagsüber traut sich niemand.

Hattest Du am Anfang, als Du nach Indien kamst, Schwierigkeiten mit der Kultur?

Nein, überhaupt nicht. Goa ist eigentlich sogar auf dem Rückzug, als ich 94 ankam, gab es hier eine total nette internationale Community – viele Ex-Hippies, ein Haufen Leute, die hier in Goa überwintert haben und auch viele Deutsche.  Das war total nett aber es hat sich mit den Jahren gewandelt. Zuerst waren hier hauptsächlich Lebenskünstler – es gab Flohmärkte und Raveparties – dann folgten Geschäftsleute und eine Welle von Ayurvedakliniken und Yogatherapeuten – eher zweifelhafter Natur.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass Goa in nächster Zeit das indische Zentrum für Kunst und Literatur wird, da es hier mittlerweile eine ganz gute Kunst und Literaturszene gibt.

Erzähle uns etwas über das Familienleben, du hast deinen Mann hier in Goa kennengelernt?

Ein deutscher Freund hat mich ihm vorgestellt. Er meinte schon in Delhi "Er wird dich lieben". Mein Mann ist früher in seiner Jugend Motorcrossrennen gefahren und hat mir ein bisschen was beigebracht. Seit Ende 96 sind wird nun zusammen. Wir haben dann in Mailand geheiratet und leben seitdem mit unserem mittlerweile elfjährigen Sohn in Goa. Als er vier war, ist er halbtags in den Kindergarten gekommen, mit sechs ging dann die normale Schule los. Wegen der internationalen Ausbildung ist er jetzt ganztags auf einer privaten Schule, in den öffentlichen Schulen ist Konkani die erste Sprache und das sprechen wir nicht.

Wie läuft das mit dem Visum beim Umzug nach Goa?

Mit dem Visum hatten wir Glück, es gab 1997 eine Phase, in der man in Deutschland total einfach ein 5-Jahres-Visum für Indien bekommen hat. Wenn man nachweisen konnte, dass man schon dreimal in Indien war, dann bekam man dieses Touristenvisum. Wir konnten es nach fünf Jahren auch ohne Probleme erneuern. Mittlerweile geht unser Sohn hier auf die Schule und hat deswegen ein 5-Jahres-Studentenvisum. Als Eltern haben wir ein Ex-Visum, das ist ein spezielles Visum bei dem keiner genau weiß, wie die Kriterien dafür sind – wenn man Glück hat, bekommt man es. Wir hoffen jetzt, dass wir es wieder erneuern können. Das Blöde daran ist, dass man keine Rechtssicherheit hat. Obwohl wir hier ein Haus gekauft haben, gibt uns das noch nicht das Recht hier zu wohnen.

Wie ist hier die Lage  mit der ganzen sozialen Absicherung, der Krankenversicherung etc.?

Da ich mit einem Italiener verheiratet bin, habe ich eine Basiskrankenversicherung in Italien. Die deckt Operationen, Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche in Italien ab. Hier hätten wir eine Krankenversicherung abschließen können, aber da die Arztkosten bisher noch so günstig sind, dass es besser ist sie privat zu bezahlen, lohnt sich das nicht. Die ärzliche Versorgung hier ist gut – also ich kann nicht klagen, die Krankenhäuser sind natürlich nicht mit unseren zu vergleichen. Wenn wir zum Beispiel eine größere Operation oder Ähnliches haben sollten, dann würden wir dafür nach Italien fliegen, aber die kleineren Sachen kann man hier machen.

Wie ist es, während der Monsunzeit in Goa zu wohnen?

Die haben ja keine Ahnung was ein ordentlicher Regen ist! Die schreiben hier immer über Fluten und torrential rain (= sintflutartige Regenfälle, Anm. d. Red.) – darüber kann ich als Bayerin ja nur lachen. Die haben keine Ahnung, wie das ist, wenn es über Monate regnet. Aber es kommt natürlich auch darauf an, wie man wohnt. Wir haben ein Haus mit Zementdach, das gut isoliert und mit einer Klimaanlage ausgestattet ist, da ist das überhaupt kein Problem. Wenn man in einem alten Haus mit offenem Dach wohnt, dann wird das ganze Haus feucht, das ist dann eher weniger angenehm. Nur zu Beginn der Monsunzeit fällt ein paarmal für längere Zeit der Strom aus, da die ganzen alten Bäume umfallen und die Leitungen über Land laufen. Man muss halt vorbereitet sein und eher weniger im Gefrierschrank aufbewahren, da am Anfang für mindestens einen Tag der Strom ausfällt. Es ist halt durchwachsenes Wetter, mal Sonne, mal nur grau oder es regnet mindestens 10 Tage am Stück.

Gibt es Dinge, die in Goa total anders sind als in Deutschland?

Also das schwierigste hier ist das Einkaufen. Hier gibt es keine großen Supermärkte, man muss das eine in dem einen Laden kaufen, das andere in dem anderen und frisches Gemüse und Obst auf dem Markt. Ich kann nicht einmal die Woche einkaufen gehen, ich muss eigentlich jeden Tag einkaufen gehen. Das Klima, bei dem alles schnell verdirbt und das unstete Angebot machen es hier teilweise ganz schön schwierig.

Was vermisst Du am meisten?

Am meisten natürlich meine Familie und Freunde. Je älter man wird, desto schwieriger wird es neue Freunde zu finden. Das Essen geht mir hier aber auch schon ab, geräucherte Bratwürste und eine ordentliche Weißwurst und Brez‘n – vor allem gutes Bier – so ein Bier wie in Bayern gibt es hier nicht.

Hast Du die Entscheidung nach Indien zu ziehen jemals bereut?

Es gibt schon Momente, wo ich Heimweh habe, ich weiß auch nicht, ob ich meinen Lebensabend hier verbringen möchte. Aber wir haben hier ein tolles Leben, in Europa könnten wir uns das nicht leisten. Das Klima ist viel angenehmer, ich mag den kalten Winter in Deutschland nicht, ich bekomme Durchblutungsstörungen und mein Mann hat Arthritis.

Gibt es Momente, in denen du das Gefühl hast, dass man als Frau in Indien benachteiligt ist?

Klar, als Frau wirst du anders behandelt, das ist im Westen nicht anders. In Deutschland ist der männliche Chauvinismus nur irgendwie subtiler. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen am Arbeitsplatz die Arbeit machen und Männer machen Networking, die sind viel mehr damit beschäftigt, Kontakte zu ihren anderen männlichen Kollegen zu halten. Mit 30 hab ich mich entschieden, ich möchte Mutter werden und ich wollte nicht Mutter und Journalistin zur gleichen Zeit sein, da ich auch Zeit für mein Kind haben wollte. Ich bin kein Typ, der es genießt, jeden Tag am Strand oder am Swimmingpool zu liegen. Ich bin lieber kreativ, schreibe, ich male auch. Ich bin jetzt auch wirklich froh, dass ich einen Verleger für mein neues Buch gefunden habe.

Dein Kochbuch ist in einem indischen Verlag erschienen, wie war es für dich, mit Indern zusammenzuarbeiten?

Das Buch ist bei Goa 1556 erschienen, einer Organisation von Frederick Noronha – einem indischen Journalisten aus Goa, der teilweise zusammen mit Broadway jeden Monat ein Buch veröffentlicht. Was die Arbeit betrifft: Am besten machst Du einfach alles selbst, weil du dich hier auf niemanden verlassen kannst. Es wäre mein Albtraum, hier ein Geschäft zu führen. Ich habe das Layout gemacht und habe den Text für die Seiten zurechtgestutzt. Frederick Noronha hat nur das fertige Manuskript gegengelesen.

Gibt es ein Lieblingsrezept deiner Familie aus dem Buch?

Was bei meinen Männern immer gut ankommt ist Pasta Carbonara. Und mein Lieblingsrezept ist die Tuna Pate. Da es hier keine Streichwurst gibt, ist es schwierig, Sandwiches zu machen. Die indische Wurst ist scharf und hat immer irgendwelche Gewürze drin. Die Tuna Pate ist so simpel, schmeckt aber so gut.

Kornelia´s Kitchen – Mediterranean cooking for India

Mediterranean cooking for India ist speziell auf Indien ausgerichtet, enthält jedoch klassische mediterrane Rezepte, die natürlich auch jeder Europäer nachkochen kann.

Kornelia Santoro ist nicht nur mit einem Italiener verheiratet, sie hat auch in Griechenland gelebt und weiß daher wie mediterrane Gerichte schmecken sollen! Die Rezepte sind perfekt für alle, die ihre Familie auf gesunde Art und Weise ernähren und trotzdem nicht die ganze Zeit in der Küche verbringen wollen. Es enthält außerdem Tipps zum Einfrieren, denn wie Kornelia selbst sagt: "Ich habe immer ein paar Abendessen fertig im Gefrierschrank, wenn ich keine Lust habe, dann muss ich auch nicht kochen."