Zur Person: Lea Lange war bei den Onlineshops Casacanda und Fab in leitenden Positionen tätig, bevor sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagte: Auf der Website ihres Unternehmens Juniqe.de kann man Werke junger Künstler zu erschwinglichen Preisen bestellen.

amicella: Lea, du warst zuvor bei den Unternehmungsberatungen Ernst & Young und Roland Berger, dann bei Casacanda und Fab tätig. Wie kam es zu dem Wunsch, selbst Gründerin zu werden?
Lea Lange: In der Beratung habe ich mich nie hundertprozentig wohl gefühlt und es war mir schnell klar, dass ich dort nicht lange arbeiten möchte. Vor allem hat mich gestört, dass man so austauschbar ist und die Resultate der vielen Arbeit nicht sehen kann. Bei Casacanda, dem Berliner Start-up, das später von Fab gekauft wurde, habe ich von Anfang an gearbeitet und alles mit den drei Gründern aufgebaut. Daher kam der Wunsch, etwas Eigenes zu machen, das man wachsen sehen und jeden Tag besser machen kann.

Wie ist die Idee zu Juniqe entstanden?
Ich habe eine große Leidenschaft für Designprodukte und habe schon immer viel Zeit damit verbracht, meine und die Wohnungen meiner Freunde einzurichten. Die Auswahl an Möbeln und Wohnaccessoires ist sehr breit und fast mit jedem Geldbeutel ist es möglich, eine Wohnung toll einzurichten. Wenn man aber nach Kunst für die Wand sucht, ist das anders: Kunst in guter Qualität und zu erschwinglichem Preis zu finden, die nicht als Massenware aus dem Möbelhaus kommt, ist schwierig. Das wollten wir ändern. Wir wollen aktuelle Kunst online in die Welt tragen, Künstler unterstützen und ihre Arbeiten für jeden zugänglich machen.

Die Gründung eines Startups ist nicht ohne Wagnis. Wie kann man das Risiko möglichst gering halten?
Ein gewisses Grundrisiko geht man immer ein. In meinen Augen sind aber zwei Dinge wichtig, um das Risiko zu minimieren: Relevante Vorerfahrung, die wir vorher zum Beispiel bei Casacanda und Fab gesammelt haben und das richtige Gründerteam. Meine Mitgründer Marc, Sebastian und ich ergänzen uns sehr gut in unseren Fähigkeiten und Denkweisen. Außerdem kann ich den beiden hundertprozentig vertrauen, was natürlich wichtig für ein stabiles Unternehmen ist. Das gleiche gilt für das gesamte Team – es sind alles Leute mit relevanter Vorerfahrung, die Lust haben, gemeinsam was aufzubauen.

Welche Fehler können einem bei der Unternehmensgründung leicht unterlaufen?
Der größte Fehler, der einem als Gründer passieren kann, ist wohl, dass man sich nicht auf die wirklich wichtigen Dinge für den Unternehmenserfolg konzentriert. Man muss sich über die Prioritäten im Klaren sein. Ich versuche immer, mir drei Prioritäten für die nächsten Monate vor Augen zu halten. So verliere ich vor lauter Kleinkram nicht das große Ziel aus den Augen und habe trotzdem konkrete Anhaltspunkte für meine Arbeit. Außerdem sollte man sich nie auf dem eigenen Erfolg ausruhen. Man muss sich immer fragen, was man noch besser machen kann, sonst gerät man in Verzug.

Wie wichtig ist das richtige Team – und wie stellt man das zusammen?
Das richtige Team ist sehr wichtig. Ich würde niemandem raten, alleine zu gründen. Wir drei Gründer diskutieren viel und ruhen uns nie auf unseren Erfolgen aus. Im ganzen Team herrscht eine offene Kultur des Feedbacks und der konstruktiven Kritik. Jeder kann Ideen äußern. Das bringt nicht nur Innovation, sondern baut auch Vertrauen auf. Was die Zusammenstellung anbelangt: Menschenkenntnis, Glück und Kontakte sind absolut wichtig. Wir konnten einige Kollegen aus unserer Fab-Zeit überzeugen, bei uns anzufangen, sowohl im Bereich Logistik als auch in Marketing und Creative. Wir kannten uns schon von früher, das hat den Start erleichtert.

Wie schafft man es, die richtigen Investoren zu finden und sie zu überzeugen?
Jeder Gründer sollte sich bewusst sein, welches Problem vom eigenen Business-Modell gelöst wird und was das Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens ist. Für das Fundraising sollte man viel Zeit einplanen, denn das dauert meistens länger als erwartet. Wir haben sehr früh mit dem Netzwerken angefangen und uns qualifizierte Interessenten ausgesucht, die eine Affinität zu unserem Geschäftsmodell haben. Die Investoren konnten wir überzeugen, weil das Modell funktioniert. Der Bedarf an bezahlbarer Kunst mit einer individuellen Motivauswahl ist groß. Wir machen nach nur sechs Monaten einen sechsstelligen monatlichen Umsatz mit deutlichem Wachstum. Ein Vorteil unseres Modells ist außerdem, dass Produkte nur auf Bestellung produziert werden. Damit entfallen riskante Sortimentsinvestitionen und Lagerkosten.

Was konntest du von deinen früheren Arbeitserfahrungen in die Gründung mit einbringen?
Meine Erfahrung in der Beratung hat mir geholfen, meine Arbeit gut zu strukturieren und zu organisieren. Bei Casacanda und Fab habe ich den Einkaufsbereich aufgebaut und später das Strategie- und Analytics-Team geleitet, also relevante Erfahrung für meine Arbeit als Gründerin bei Juniqe gesammelt. Ich habe gelernt, wie wichtig Markenbildung im e-commerce ist, genauso wie die Qualität der Produkte und die Unternehmenskultur. Das sind alles Dinge, die ich ohne meine Zeit bei Fab sicherlich anders bewertet hätte.

Juniqe gibt es seit November 2013. Was hat sich seitdem entwickelt, was geändert?
Seit wir im Januar 2014 online gegangen sind, hat sich unglaublich viel getan: Wir haben über 5000 Kunden glücklich gemacht, sind von drei Gründern zu einem Team von 25 Leuten gewachsen und haben einen Millionenbetrag an Funding eingesammelt. Außerdem beliefern wir bereits 14 weitere europäische Länder. Wir haben neue Produktgruppen hinzugefügt und die Website verbessert. Das Grundmodell hat sich aber seit der Gründung nicht verändert.

Als Gründerin und Geschäftsführerin trägst du viel Verantwortung. Wie gehst du damit um?
Alle Entscheidungen treffen wir zu dritt. Dabei denken wir nicht nur an morgen, sondern wägen auch ab, was unsere Entscheidungen mittel- und langfristig bedeuten. Außerdem sind wir unseren Mitarbeitern gegenüber sehr offen und stellen sicher, dass sie genau verstehen, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickelt und wo wir hinwollen. Uns ist aber auch wichtig, dass alle Spaß an der Arbeit haben, sich gut verstehen und eigene Verantwortung übernehmen.

Wie verhält es sich mit Erfolgsdruck seitens der Investoren?
Ich glaube nicht, dass der Erfolgsdruck von Investoren am größten ist, sondern dass die eigene Motivation am stärksten wirkt. Ich weiß, warum ich gegründet habe und was ich erreichen will. Ich fühle eine hohe Loyalität meinen Mitarbeitern gegenüber. Ich möchte sicherstellen, dass es Juniqe auch morgen noch gibt und alle ihren Arbeitsplatz behalten können.

Wie sieht ein erfolgreicher Tag bei Juniqe aus?
An einem erfolgreichen Tag habe ich alle Dinge, die ich mir vorgenommen habe, auch angestoßen, konnte mir Gedanken zu Verbesserungen und Effizienzsteigerungen machen und konnte mit dem Team lachen.

Welche Produkte verkaufen sich am besten?
Am besten verkauft sich die Kategorie Kunstdrucke, die gerahmten Prints. Unsere Kunden kaufen aber auch mehr und mehr die qualitativ hochwertigen, signierten Drucke in limitierten Editionen.

Wo wärst du jetzt, wenn es Juniqe nicht gäbe?
Ich wäre definitiv in einem anderen Start-up, wahrscheinlich als Gründerin.