In Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 22 % weniger als Männer, die sogenannte Gender Pay Gap. Diese Bilanz ist noch schlechter als der EU-Schnitt (16 %) und hat verschiedene Gründe: Frauen arbeiten wegen der Kinder öfter in Teilzeit und hinken in ihren Karrieren wegen ihrer Babypausen den Männern hinterher, wenn sie wieder in den Beruf einsteigen. Aber auch bewusste Diskriminierung von Arbeitgebern gegen Frauen und unterschiedliche Verhandlungsstrategien von Männern und Frauen sind Gründe. Gegen all diese Ursachen kann man wenig tun. Aber die richtige Verhandlungsstrategie lässt sich lernen.

Die Vorgesetzten, die dabei Gesprächspartner sind, sind weder deine Freunde, noch deine Feinde, egal, welches Verhältnis du normalerweise zu ihnen hast. Sie werden dir womöglich unangenehme Fragen stellen, dich an Schwächen oder Fehler erinnern oder dir welche unterstellen – verfalle nicht in Rechtfertigungen, sondern stelle deine Stärken heraus. In der Gehaltsverhandlung sind Vorgesetzte "Gegner", die das natürliche Interesse haben, das Maximum aus dir herauszuholen, dir aber nur ein Minimum dafür zu geben – verwechsle das nicht mit einer feindlichen Haltung, sondern betrachte das nüchtern und ohne zu viele Emotionen.

1. Vorbereitung

Vorbereitung ist alles. Beantworte dir deshalb selbst folgende Fragen:

  1. Wie viel Berufserfahrung habe ich? Wie lange bin ich im Unternehmen?
  2. Warum bin ich für das Unternehmen nützlich? Was habe ich für das Unternehmen geleistet – insbesondere in letzter Zeit? Was habe ich speziell für meine Vorgesetzten getan, wie profitieren sie von mir, womit habe ich ihre Anerkennung verdient – vor allem die Person, mit der ich das Gespräch führen werde?
  3. Was schätzen meine Vorgesetzten an mir? Was sind meine Schwächen und wie meistere ich sie?
  4. Wo genau stehe ich jetzt im Unternehmen – innerhalb der Hierarchie, zwischen den Kollegen, gegenüber Vorgesetzten?
  5. Wo will ich hin – welche Aufgaben traue ich mir zu, welche Position will ich erreichen und wie viel will ich damit verdienen?
  6. Was kann ich besser als andere? Was macht mich besonders wertvoll für das Unternehmen?
  7. Wenn du das alles beantworten kannst, gibt es keine Frage deines Chefs, auf die du nicht die richtige Antwort parat hast.

2. Timing

Nach spätestens 2 Jahren sollte man seinen Chef um ein Gespräch bitten. Wartet man zu lange, hat das viele Folgen: dein Vorgesetzter wird dich hinhalten, während dir andere schon 1-2 Gehaltserhöhungen voraus sind, denn er wird sich fragen: "Wieso jetzt? Ging doch auch die letzten 5 Jahre so." Beim Timing ist aber auch Feingefühl angebracht. Frag nicht nach einem Gesprächstermin, wenn die Firma gerade finanziell am Kämpfen ist.

3. Selbstbewusstsein

"Ich würde gern…", "Wenn es nicht zu viel verlangt ist…" oder "Es ist mir etwas unangenehm, aber…" sind Sätze, die tunlichst vermieden werden sollten. Ein selbstbewusstes Auftreten ist entscheidend bei einer Gehaltsverhandlung. Wer nicht selbstbewusst auftritt, signalisiert Schwäche, was der Chef sofort nutzen wird, um die Forderungen abzuschlagen. Besser sind Sätze, die mit "Ich möchte…" anfangen. Wichtig dabei ist außerdem der Tonfall. Wer selbstbewusst wirken möchte, sollte darauf achten, nicht in eine schüchterne piepsige Stimme zu verfallen. Ein schroffer Ton darf es aber auch nicht sein, denn Respekt ist ein Muss. Denk daran: Eine Gehaltsverhandlung ist wie ein kleines Bewerbungsgespräch, denn du musst dich selbst erneut 'verkaufen'. Umso wichtiger ist es also, Haltung zu bewahren, denn solche Gespräche sind hart! Begegne deinem Gegenüber mit Wertschätzung. Das und eine selbstbewusste Haltung nötigt deinem Chef geradezu Respekt für dich ab – die Voraussetzung für dein Weiterkommen.

4. Äußeres

Es bringt dir nichts, wenn du dich zwar selbstbewusst fühlst, aber nicht so wirkst. Selbstbewusstsein will gekonnt durch Haltung, Mimik und Gestik nach Außen gestrahlt werden. Für deine Haltung kannst du dir die altbekannte Faustregel merken: Kopf hoch, Rücken gerade, Brust raus, Bauch rein – aber nicht zu steif wirken. Bei Mimik und Gestik wird die Sache schon etwas schwieriger, da wir beides unterbewusst von unserer Stimmung beeinflussen lassen. Deine Nervosität kann sich zeigen, obwohl du das gar nicht merkst. Du kannst beides aber auch bewusst steuern.

Die wichtigste Geste kommt ganz am Anfang: Der Händedruck. Er sollte weder zu übertrieben, noch zu lasch sein und du solltest dem Blickkontakt deines Gegenübers unbedingt standhalten und mit einem freundlichen Lächeln begegnen. Gestik No-Gos sind geballte Fäuste, verschränkte Arme und zu viel Fuchtelei beim Reden. Deine Hände sollten immer offen und sichtbar sein, z.B. auf der Stuhllehne ruhen. Auf gar keinen Fall dürfen Hände in den Hosentaschen verschwinden. Besonders Frauen neigen dazu ihre Beine zu überschlagen, selbst wenn sie stehen. Das wirkt jedoch schüchtern, zurückhaltend und verschlossen. Besser ist es normal zu sitzen, bzw. schulterbreit zu stehen. Ein fester Stand, vermittelt einen festen, selbstbewussten Eindruck.

Deine Mimik sollte mit einem Lächeln anfangen, muss es aber nicht halten, wenn es um harte Verhandlungen geht, solange die Augenbrauen nicht hochgezogen oder die Stirn gerunzelt wird, denn das wirkt unsympathisch. Die Augen sollten nicht von einer in die andere Ecke hin und her huschen und übermäßiges Blinzeln solltest du auch vermeiden, denn all das strahlt Unsicherheit aus. Stattdessen dürfen deine Augen ab und zu den freundlichen, aber bestimmten Blickkontakt halten.

Nicht unwichtig ist auch die Kleidung. Ein stilvolles Auftreten ist nicht nur bei Gehaltsverhandlungen ratsam. Wobei "Stil" Definitionssache und vom Arbeitsplatz abhängig ist. Wenn du dir nicht sicher bist, ist im Zweifelsfall lieber konservatives Auftreten die richtige Wahl.

5. Gekonnt Verhandeln

Es ist üblich, dass du selbst eine Summe für dein Wunschgehalt nennen sollst. Das bildet die Basis für das weitere Gespräch. Deshalb solltest du dir vorher gut überlegen, welche Summe sinnvoll ist. Sie sollte um einiges höher sein, als dein wahres Wunschgehalt, mit dem du schon zufrieden wärst. Denn Chefs handeln runter. Normalerweise ist es angebracht zwischen 5 - 15 % mehr zu verlangen, niemals mehr als 20 %. Orientiere dich außerdem daran, was in deiner Branche üblich ist und überlege dir deinen Mehrwert, den du für das Unternehmen darstellst. Also sprich, was du leistest, welche Verantwortung du hast, welche Projekte du erfolgreich abgeschlossen hast usw. Am besten ist es seinen Mehrwert mit Zahlen zu belegen.

Ein beliebtes Gegenargument ist, dass die arme Firma sich leider keine höheren Gehälter leisten könne – lass dich darauf nicht ein, sondern stelle heraus, dass du deinen maßgeblichen Teil zur Wertschöpfung beiträgst und dafür eine auch finanzielle Anerkennung erwartest.

6. Gekonnt Argumentieren

Jedes persönliche Argument hat in einer Gehaltsverhandlung nichts zu suchen, denn hier geht es nur um deine Profession! Für deinen Chef ist es egal, ob du gerade ein Haus, Auto oder Kind planst. Auch was die Kollegen verdienen, ist kein gutes Argument. Denn die anderen leisten womöglich auch mehr? Wer auf persönlicher Ebene versucht zu argumentieren, wirkt so als möchte er Mitleid erregen, anstatt mit seinem Können zu überzeugen. Chefs bedienen sich aber womöglich derselben Taktik und behaupten, dich nicht besser bezahlen zu können, weil deine Kollegen auch nicht mehr bekommen – lass dich nicht darauf ein, sondern betone, dass du keine Aussagen über Kollegen, sondern über deine Leistungen treffen möchtest und dass es um deinen Wert, den du höher einschätzt als das, was du momentan verdienst, geht.

7. Schweigen ist Gold

Ein kurzer, aber umso wichtigerer Tipp: Schweigen ist Gold. Lass deine Argumente für sich sprechen und nutze die Stille, die deinen Forderungen folgt (und das wird sie), um deinen Chef leicht fordernd und fragen anzusehen – und nichts zu sagen. Lass dich nicht dazu hinreißen einfach drauf los zu reden, sollte Stille entstehen.

8. Niemals drohen

Auf "Woanders verdient man mehr" kommt "Dann arbeiten Sie doch woanders" und auf "Wenn ich nicht mehr kriege, dann gehe ich" kommt "Dann gehen Sie doch". Drohungen bringen jeden Chef in eine schwierige Lage und er wird sich nicht die Blöße geben, auf Drohungen einzugehen. Wer eine Drohung ausspricht, bekommt statt der Gehaltserhöhung im schlimmsten Fall eine Kündigung – die eigentlich keiner von beiden möchte.

9. Absichern

Auch wenn das Gespräch gut lief: Mündliche Zusagen haben keine Gültigkeit. Bevor du dich über deine Gehaltserhöhung freust, gehe lieber auf Nummer Sicher und schreibe eine Mail an deinen Chef à la: "Um sicherzugehen, dass ich alles richtig verstanden habe, halte ich noch einmal fest, dass …". Bekommst du daraufhin eine Bestätigung deines Chefs per Mail zurück, bist du auf der sicheren Seite. Denn Mails gelten als schriftliche Bestätigung. Manchmal braucht es auch mehr als nur ein Gespräch. Lass dich in dem Fall nicht auf unbestimmte Zeit vertrösten, sondern vereinbare einen festen Termin und zwar in absehbarer Zukunft.

Geschrieben von LINDA SCHULZKI