Man kennt ihn neben Til Schweiger aus dem Hamburger Tatort: Fahri Yardim ist zur Zeit einer der vielversprechendsten deutschen Schauspieler. Passend zur Weihnachtszeit erscheint nun sein neuer Kinofilm ALLES IST LIEBE. Ein Episodenfilm, der mit seiner Besetzungsriege glänzt, darunter Nora Tschirner, Christian Ulmen, Tom Beck und Heike Makatsch. Mit amicella hat Fahri Yardim über seine Familie gesprochen, warum er Weihnachten liebt und was es mit der großen Liebe auf sich hat.

Interview: Linda Schulzki
Als ich im Flur vor den Räumen, in denen die Interviews stattfinden, warte, freue ich mich, Fahri Yardim, dem Underdog unter seinen Kollegen, kennenzulernen. Denn für Underdogs hatte ich schon immer eine Schwäche. Doch als er endlich um die Ecke auf mich zu kommt, denke ich nur noch: "Was für ein schöner Mann!" Mein geplantes "Moin" - um mich ebenfalls als Norddeutsche zu outen - bleibt mir im Hals stecken. Von seinem Charme gefesselt, versinke ich in dem verschmitzten Lächeln, dem schläfrigen Hundeblick und dem Drei-Tage-Bart. Ich bin hin und weg und hoffe inständig, nicht rot geworden zu sein. Also ermahne ich mich innerlich professionell zu wirken und beginne mit der ersten Frage. Fahri Yardim, der Underdog, ist mein Undergod.

ALLES IST LIEBE hat eine tolle Besetzung. Wie war es mit all diesen Kollegen zusammen zu arbeiten?
Fahri Yardim: Obwohl es Überschneidungspunkte gibt, hat man in seinem Erzählstrang nicht viel mit den anderen zu tun. Man hängt aus einer gewissen Entfernung zusammen, das macht den Film aus. Ich will mich hier nicht selbst beweihräuchern, daher mich mal ausgenommen, aber da kamen echt talentierte Menschen auf einen Haufen. Es bringt große Freude mit ihnen zu spielen. Du wächst mit deinen Partnern. Da sind immerhin ein paar Nasen dabei von denen ich Fan war, als ich noch keine Ahnung hatte, wohin die eigene Reise geht. Ein schönes Gefühl! Plötzlich sitzt du neben ihnen und teilst Fantasiewelten.

Und wie ist die Arbeit mit Kindern?
Kinder und Tiere sind nicht die einfachsten Kollegen. Der kleine zum Beispiel hatte keinen Plan was da abgeht. Für den gibts kein "Action" und kein "Cut". Der hat seinen eigenen Film gelebt. Das macht es andererseits wunderbar spontan. Die ältere dagegen war ein kleiner Vollprofi. Das schlimmste ist, Kinder spielen dich immer an die Wand. Sie sind in jeder Hinsicht besser. Sie sind immer unmittelbarer. Immer ehrlicher. Das ist großartig. Wahrscheinlich wird jeder als Schauspieler geboren und verliert es dann mit dem Erwachsenwerden und alle professionellen Schauspieler versuchen sich diese Kindlichkeit zurückzuerobern, dieses Wundern wieder zu entdecken. Wie sang Judith Holofernes so treffend: "Die Zeit heilt alle Wunder".

Was macht Familie für dich aus?
Boah, wie viel Zeit hast du? (lacht) Ich hab ein gutes, starkes und aktives Verhältnis zu meiner Familie, was daran liegt, dass wir uns sehr konstruktiv miteinander entwickelt haben. Ich bin ein typisches Patch-Work-Familien-Kind. Da sind auch sicher geglaubte Bindungen auseinander gegangen, aber trotzdem und über einige steinige Umwege ist ein nachhaltiges Nest gewachsen. Es gab ein tiefes, gemeinsames Vertrauen, eine Abmachung, und die hieß Liebe. Ich hab wahrscheinlich, ganz bescheiden gesagt, die tollste Familie der Welt (lacht). Ich habe richtig, richtig Glück gehabt. Sehr merkwürdige, aber tolle Menschen.

Du spielst einen Familienvater, der kurz vor dem Ruin steht und es verschweigt. Warum erzählt Kerem seiner Frau nichts davon?
Gute Frage. Man könnte glauben, das Vertrauen sei so tief gewachsen, dass man kein Verschweigen nötig hat, aber ihn treibt ein unbewusster Anspruch an die Vaterrolle, die in gewisser Weise verletzt wird, dadurch, dass er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Es ist sein verzweifelter Versuch die Familie vor einer bitteren Wahrheit zu bewahren und es während dieser Notlüge wieder gerade zu biegen. Ich glaube, er möchte ihnen Schmerzen ersparen. Er fühlt sich schuldig für die finanzielle Notlage und glaubt diese Schuld alleine wieder gut machen zu müssen. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, seine weitaus vernünftigere Frau mit ins Boot zu holen, aber er hing einer veralteten Männlichkeitsfantasie nach.

Er lebt ja so ein bisschen in dieser traditionellen Familienvorstellung.
Na ja. Immerhin ist seine Frau hochschwanger. Sollte er da verlangen, dass sie arbeiten geht?!

Nein, natürlich nicht.
Alleinverdiener klingt immer so, als wäre er der einzige, der arbeitet. Das tut er nicht. Er ist sich sehr bewusst darüber, dass seine Frau viel arbeitet und möchte ihr den Rücken frei halten. Aber du hast recht, Beziehung ist eine Teamleistung, er aber will es unbedingt alleine schaffen und scheitert genau daran. Es wäre leichter gewesen, hätte er das gleich gesagt, aber dann hätten wir den Film nicht gemacht. (lacht)

Glaubst du an die große Liebe?
Ich glaube, dass Liebe kein Attribut braucht. Ich glaube an die Liebe. Obwohl es ganz unterschiedliche Aspekte von Liebe gibt und ich sicherlich kein Ratgeber bin. Ich glaube vor allem daran, dass Liebe eine Kunst ist, dass man sie lernen kann. Wenn man ein großer Künstler geworden ist, würde ich es als große Liebe bezeichnen. Wie groß die Liebe ist, hängt in meiner Philosophie mehr von dir selbst ab, als von dieser einen Begegnung, auf die man sein Leben lang warten soll.

Hast du schon mal etwas völlig Verrücktes gemacht aus Liebe?
Als vierjähriger hab ich die Mädels, die ich am süßesten fand, am dollsten geschubst. Das war ein verzweifeltes "Sieh Mich!". Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schubsen die beste Anmache der Welt ist. Aber eine gewisse Doofheit ist fast immer dabei, zumindest in dieser vernebelten Phase der Verliebtheit.

Feierst du gerne Weihnachten?
Ja, sehr. Es ist eine Zeit, in der du spürst, dass eine kollektive Entschleunigung einsetzt. Ich mag dieses gemeinsame Abschalten. Eine Zeit der kleinen Dinge, die die Welt bedeuten. Ich liebe es mit der Familie zusammen zu hocken und gut zu essen. Also das ganz profane Bilderbuchweihnachten. Man hat eine andere Aufmerksamkeit füreinander, weil es nicht so stark von außen zerrt. Die Versuchung der Karriereleiter ist für einen kurzen Zeitraum abgeschaltet. Endlich Platz für Gemütlichkeit!

Was für Arten von Filmen möchtest du noch verwirklichen?
Diese Frage kriege ich komischerweise so oft gestellt und nie hab ich mich darauf vorbereitet. Ich bin immer wieder überrascht. Um mich zu retten, sage ich immer es sollen starke Geschichten sein. Geschichten, die ich selbst gerne höre, in die ich mich entführen lasse und daran teilhaben darf.

Was wäre denn so eine Geschichte?
Ich hab keine Lieblingsgeschichte, aber ich gehe gern ins Kino. Ich mag die Abwechslung. Ich mag es, wenn ich die Geschichte noch nicht kenne. An ALLES IST LIEBE mag ich, dass es der perfekte Film für diese besondere Zeit ist. Wenn die Weihnachtszeit kommt, ist es genau das, was ich brauche. Ich will mich einmummeln vor diesem Hintergrund von Schnee und Gebäck. Gemeinsam lachen und weinen. Und hinterher ’n Glühwein. Schöner geht’s nicht.

Alles ist Liebe

Ab dem 04. Dezember 2014 im Kino
Regie: Markus Goller
mit NORA TSCHIRNER, TOM BECK, HEIKE MAKATSCH, WOTAN WILKE MÖHRING, KATHARINA SCHÜTTLER, FAHRI YARDIM, CHRISTIAN ULMEN, FRIEDRICH MÜCKE, INES BJØRG DAVID und ELMAR WEPPER