The Help

Am 8. Dezember läuft in den Kinos ein Film an, der ein neues Licht auf die US-amerikanische Südstaatenkultur vor Abschaffung der Rassentrennung wirft. Regisseur Tate Taylor verfilmte mit THE HELP den gleichnamigen Bestseller seiner Kindheitsfreundin Kathryn Stockett.

Jackson, Mississippi, 1963: Schwarze Hausmädchen kümmern sich um die Haushalte Weißer, ziehen blond gelockte Kinder groß – und dürfen nicht mal die Toilette im Haus ihrer Arbeitgeber benutzen. Drei mutige Frauen entschließen sich, ein Buch mit den Geschichten eben dieser Hausmädchen zu schreiben. Ein Tabu-Bruch und gleichzeitig Meilenstein für die schwarze Bürgerrechts-Bewegung. Eine von ihnen ist Minny, gespielt von Octavia Spencer, die schon so manche Nebenrolle in einen bleibenden Lachmuskelkater verwandelt hat (das Tiermedium Madame Nora in Dinner für Spinner, um nur eine zu nennen).

Im Interview mit amicella.de spricht Octavia Spencer über Minny, große und kleine Rollen – und die Verlockung von frittiertem Hähnchen.

amicella: Du kommst ja selbst aus dem Süden, genauer gesagt aus Alabama. Gab es unter deinen Verwandten auch Frauen, die als Dienstmädchen gearbeitet haben? Wenn ja – hast du im Rahmen deiner Vorbereitung auf die Rolle mit ihnen gesprochen oder eventuell selbst ein Dienstmädchenkostüm angezogen und dich um jemandes Haushalt gekümmert?
Octavia Spencer: Ich denke nicht, dass es auch nur einen Afroamerikaner aus dem Süden gibt, der kein Familienmitglied hat, das als Dienstmädchen gearbeitet hat. Wirklich mit jemandem über diese Zeit gesprochen habe ich allerdings nicht. Tatsächlich habe ich darüber nachgedacht, runter nach Mississippi zu fahren und Häuser sauber zu machen – mich aber dagegen entschieden und einfach viel über diese Zeit recherchiert. Bei der Vorbereitung auf die Rolle wollte ich vor Allem mehr über das soziale Gefüge wissen, habe mir Dokumentationen und Nachrichtenmaterial angesehen, die das echte Leben in den Sechziger Jahren festgehalten haben. Mit häuslicher Gewalt habe ich mich auch auseinander gesetzt und so nach und nach die Figur für mich aufgebaut.

Neben Emma Stone und Viola Davis hast du vergleichsweise wenig Szenen im Film und hinterlässt dennoch einen bleibenden Eindruck beim Zuschauer, es wird sogar von einer Oscar-Nominierung gemunkelt. Denkst du, die Stärke und Authentizität von Minny wurde dadurch beeinflusst, dass du eine Inspiration für die Romanfigur warst?
Ich weiß es nicht. Die körperliche Erscheinung von Kathryn Stocketts Minny ist auf jeden Fall von meiner inspiriert. Aber es gibt bestimmt hundert pummelige Afroamerikanische Schauspielerinnen zwischen 25 und 35 in Hollywood, die diese Rolle hätten spielen können. Ich weiß, dass meine Verbindung zu Tate (Tate Taylor, Regisseur von THE HELP, Anm. d. Red.) mir die Rolle eingebracht hat. Brunson Green, Tate und ich sind seit 17 Jahren befreundet. Wahrscheinlich müsste man das Publikum fragen, was Minny so herausragend macht.

Hast du schon Angebote für größere Rollen?
Nein, nicht für größere. Ich bezweifle auch, dass es eine geben wird, es sei denn, ich schreibe sie selber. Aber mir ist die Größe einer Rolle auch nicht so wichtig. Ich bin nur begeistert, dass ich eine so facettenreiche Persönlichkeit wie Minny spielen durfte. Nicht nur eine oder zwei Szenen, in denen dem Zuschauer nur ein bestimmter Aspekt einer Person gezeigt wird.

Entertainment Weekly hat dich 2009 zu einer der 25 lustigsten Schauspielerinnen Hollywoods gekürt. Bist du gerne lustig? Warst du schon immer der Spaßvogel? Oder ist das eine Sache, in die du rein gerutscht bist?
Ich finde auf jeden Fall, dass es schmeichelhaft –  ja eine große Ehre – ist, für eine bestimmte Sache, die man gut kann, anerkannt zu werden. Aber ich würde nicht sagen, dass ich es darauf angelegt habe, die Witzige zu sein. Meine Freunde und ich haben eine Menge Spaß und wenn Entertainment Weekly mal in einem Auto mit uns sitzen würde, wäre jeder von ihnen auf dieser Liste. Natürlich ist es gerade für eine Frau eine ganz besondere Errungenschaft, weil Comedy in Hollywood ja eher ein Männerding ist. Wie so vieles...

Wenn du offen deine Meinung sagst, hinterlässt du nicht selten einen bitteren Nachgeschmack bei den Leuten. Mir macht das nichts aus.
- Octavia Spencer

Im Film zeichnet sich Minny unter Anderem dadurch aus, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. In einem Interview hast du mal gesagt, dass euch dieser Wesenszug verbindet. Hat es dich schon einmal in Schwierigkeiten gebracht, dass du offen deine Meinung ausgesprochen hast?
Aber sicher bringe ich mich dadurch auch mal in Schwierigkeiten! Es macht mir nichts aus, für mich und meine Überzeugungen einzustehen. Ich kann sehr aufbrausend sein und bin dann wütend auf mich selbst, weil ich mir erlaubt habe, aus der Haut zu fahren. Wenn es nötig ist, entschuldige ich mich dann. Es geht mir weniger darum, meine Meinung zu sagen als auf eine Situation hinzuweisen, die Beachtung nötig hat. In ernste Schwierigkeiten hat mich diese Eigenschaft aber noch nie gebracht. Wenn du offen deine Meinung sagst, hinterlässt du nicht selten einen bitteren Nachgeschmack bei den Leuten. Mir macht das nichts aus. Jeder will eigentlich einen guten Eindruck hinterlassen, aber manchmal bedeutet der Einsatz für eine Sache, dass Leute ihre positive Meinung über dich ändern.

Nachdem Hilly Holbook Minny so mies behandelt, findet sie einen neuen Job bei Celia Foote und die beiden werden sogar Freundinnen. Wärst du in den 60ern ein Dienstmädchen gewesen – denkst du, du hättest Minnys Stärke, Optimismus und Güte, der weißen Bevölkerung noch eine Chance zu geben?
Es wäre einfach, hier zu sitzen und zu sagen: „Klar! Natürlich wäre ich optimistisch, alles easy.“ Und ich als Mensch bin ein Optimist. Aber ich weiß nicht, ob ich so tolerant wäre wie Minny und die anderen Frauen im Film. Es war eine sehr gespaltene, unsichere Zeit, eine Wachstumsperiode für unsere Nation. Mir ist das fremd, weil ich es nicht durchleben musste. Deswegen finde ich es schwer, zu sagen, wie ich mich verhalten, wie ich empfunden hätte.

Im Film macht Minny oft frittiertes Hähnchen, einen Klassiker der Südstaatenküche. Hast du es auch am Set gegessen?
(lacht) Oh ja, es gab so viel davon! Aber ich habe versucht, es nicht zu essen. Denn wenn du einmal anfängst, frittiertes Hähnchen zu essen, kannst du nicht mehr aufhören. Dann und wann habe ich schon mal einen kleinen Bissen probiert. Aber es wurde ständig rumgereicht und war sehr beliebt beim Team.

Hast du dich lange auf die Rolle der Minny vorbereitet?
Zwei bis drei Monate vor dem Beginn der Dreharbeiten habe ich damit angefangen Minnys Persönlichkeit zu erforschen – und auch jetzt, obwohl der Film schon abgeschlossen ist, gibt es immer noch Züge an ihr, die mich nicht loslassen. Sie beschäftigt mich nicht die ganze Zeit, aber es bereitet mir einfach Freude, so viel wie möglich von ihr zu kennen.

Interview: Alexandra Bersch für amicella im Rahmen der deutschen Erstvorführung beim Filmfest Hamburg - Oktober 2011