Trendsport Thaiboxen: "Muaythai ist auf dem Weg der olympischen Anerkennung"
Training für die Fitness, den Geist und die Konzentration – Muaythai, auch bekannt als Thaiboxen, ist vielseitig. Wir wollten mehr über die Hintergründe dieser Kampfsportart wissen und haben Detlef Türnau - Präsident des Muaythai Bund Deutschland (M.T.B.D.) und Bundestrainer der deutschen Muaythai-Nationalmannschaft - einige Fragen gestellt.
amicella: Was genau ist Muaythai und was unterscheidet das Training vom klassischen Boxen, außer dass dabei die Nutzung der Beine erlaubt ist?
Detlef Türnau: Muaythai ist Tradition, Respekt, Freundschaft, eine spektakuläre
Kampfsportart und realistische Selbstverteidigung. Hier finden alle Waffen des eigenen Körpers ihren Einsatz, wodurch sich auch Frauen bei entsprechendem Training gegen stärkere Angreifer zur Wehr setzen können.
Wie bist du überhaupt auf Muaythai gekommen?
Ich hatte früher andere Kampfsportarten trainiert, musste aber feststellen, dass die meisten nicht das hielten, was sie versprachen. Ich wollte eine wirklich realistische Selbstverteidigung lernen und keine Showtechniken, die bei der Selbstverteidigung auf der Straße nicht funktionieren. So stieß ich auf das Muaythai, das einfache, aber realistisch anwendbare Techniken bot. Durch viele Trainingsaufenthalte in Thailand (auch heute noch) vertiefte ich mein Wissen und Können und bin heute stolz darauf, dieses Wissen weitergeben zu können.
Kann Muaythai also wirklich als Selbstverteidigung angewendet werden? Nehmen wir beispielsweise einen Angriff mit einem Messer, was in deutschen Großstädten ja leider schon fast zur Normalität gehört...
Im Muaythai heißt die Selbstverteidigung Pongkan Tua, welches sehr ausgereift und realistisch ist. Muaythai ist auf den Schlachtfeldern Thailands entwickelt worden und Techniken, die nicht funktionierten wurden ausgesondert. Hier wird trainiert, wie man unbewaffnete und bewaffnete Angreifer außer Gefecht setzen kann. Auch Abwehrtechniken gegen Messer- und Stockangriffe gehören ins Programm, genauso wie die Verteidigung mit einem simplen Kugelschreiber.
Du sagst selbst, dass Muaythai in Deutschland lange verrufen war und als aggressiver, brutaler Sport galt. Auf der anderen Seite ist es eine angesehene Sportart und die Sitzplätze bei Weltmeister-Kämpfen sind fast ausschließlich mit einflussreichen, prominenten Persönlichkeiten belegt. Wie passt das zusammen?
Als wir Muaythai in Deutschland einführten, kam diese Negativwerbung ausschließlich von Journalisten, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten. Heute sieht niemand mehr Muaythai als brutalen Sport ohne Regeln an. Muaythai ist auf dem Weg der olympischen Anerkennung und es gibt kaum eine andere Kampfsportart, in der so sehr auf Schutzbestimmungen geachtet wird.
Wie hoch ist die Verletzungsgefahr denn wirklich und was war die schlimmste Verletzung, die du dir jemals zugefügt hast oder bei jemandem erlebt hast?
Eine Verletzung (Cut) an den Augenbrauen. Durch die starken Schutzbestimmungen (im Amateur Muaythai kämpft man mit einer kompletten Schutzausrüstung) ist das Verletzungrisiko drastisch gesenkt worden.
Die Kampagne „Sport is your gang“, die von dem M.T.B.D. unterstützt wird, setzt sich für sozial benachteilgte Kinder ein. Was muss ein Kind mitbringen oder in welcher Situation muss es sein, um beitragsfrei am Unterricht teilnehmen zu können?
Dies bestimmt jeder Muaythai-Club selbst. Eltern, die ihre Kinder aus Kostengründen nicht zum Muaythai-Training schicken können, sollten einfach mal mit der Leitung der Sportschule oder dem M.T.B.D. Kontakt aufnehmen. Wir unterstützen das Interesse der Kids am Kampfsport, bringen ihnen Regeln und Respekt bei und stärken ihr Selbstwertgefühl. Es ist immer besser, wenn diese Kids Muaythai betreiben, anstatt auf die schiefe Bahn zu geraten.
Durch das Erlernen von Schlagkombinationen und bestimmten Schritten fühlt man sich stärker und mutiger. Kann es sein, dass durch diese innere Sicherheit die Hemmschwelle körperlicher Gewalt gegenüber sinkt?
Nein, Schlägertypen haben im Muaythai keine Chance. Sie halten auch nicht das harte Training durch. Wer Muaythai beherrscht, erhält durch das Training Sicherheit, Vertrauen in sich selbst und hat es nicht nötig, sein Können auf der Straße zu demonstrieren.
Es heißt, Muaythai stärke die Konzentration und den Geist. Wie genau können wir uns das in der Praxis vorstellen?
Im Muaythai wird die Koordinationsfähigkeit besonders geschult. Dies wird bereits in das Training für Kinder und Jugendliche eingebaut.
Aus welchen Gründen und mit welchen Zielen kommen Teilnehmer zu euch in die Kurse?
Vorrangig Fitness, Gesundheit, Abbau des Übergewichts, Selbstverteidigung, Selbstbehauptung und zum Schluss der Wettkampfsport.
Das Muaythai-Training
Eine Trainingseinheit erstreckt sich über über 60 Minuten. Gestartet wird mit dem Aufwärmen des Körpers, bevor man mit der Dehnung beginnt. Darauf folgen das Schattenboxen unter Anwendung aller Muaythai-Techniken und das Trainieren von Kombinationstechniken am Partner in der Offensive und Defensive. Anschließend werden Einzel- oder Kombinationstechniken an den Pratzen, dem Sandsack oder Belly Protector gelehrt. Konditionstraining (verschiedene Stationen) und die Dehnung stehen auch noch auf dem Programm, wobei hier etliche Stretching-Techniken aus der Traditionellen Thai Massage angewendet werden, welche den Rückenbereich auch lockern und aufbauen. Abschließend gibt es noch ein Cool-Down Programm.
Im Muaythai gibt es folgende Trainingsgruppen:
6-9 Jahre, 10-14 Jahre, 15-18 Jahre. Männer und Frauen trainieren zusammen. Es wird lediglich zwischen Breitensport- und Leistungssport unterschieden. Wie auch beim Karate sind die jeweiligen Leistungsstufen farblich gekennzeichnet. Man kann sie am Muaythai Mongkon (Stirnband) und dem Prajeat (Armband) erkennen. Auch Senioren kommen regelmäßig zum Training.