amicella: Wieso ist es für eine funktionierende Beziehung hilfreich, dass man sich selber kennt und selber liebt?
Tatjana Strobel: Nur wer sich selbst annehmen und lieben kann so wie er ist, kann dieses Gefühl auch anderen Menschen entgegenbringen. Nicht mein Gegenüber ist für mein Glück zuständig, sondern ich selbst! Ich trage es in mir.

Wie schafft man es, sich selber zu lieben, ohne dass man Angst haben muss, dass die Menschen einen für egoistisch oder eingebildet halten?
Selbstliebe ist die uneingeschränkte Annahme von sich selbst - mit den vorhandenen Stärken und Schwächen: Es bedeutet, mit sich selbst im Reinen zu sein, sich selbst zu achten, seinen Selbstwert zu kennen und in allen Situationen liebevoll und verständnisvoll mit sich selbst umgehen zu können. Dies ist nicht zu verwechseln mit Narzissmus oder Überheblichkeit. Egoismus und Narzissmus zeigen sich im abwertenden Umgang mit anderen Menschen, wenn man sich selbst über andere stellt. Wer mit sich selbst fair und liebevoll umgeht, wird dies auch im Umgang mit anderen Menschen tun.

Viele Menschen stellen ihr Licht unter den Scheffel. Warum fällt es den meisten Menschen so schwer, ihre Stärken anzunehmen und stolz darauf zu sein?
Es gibt unzählige Erklärungen dafür. Beispielweise galt es bei uns Frauen bislang als eine schlechte Tugend, sich zu profilieren und seine Stärken in den Vordergrund zu spielen. Vieles ist Erziehung. Die unreflektierte Übernahme von Werten und Mustern unserer Eltern oder Bezugspersonen ist ganz sicher eine Ursache dafür. Erschwerend kommt hinzu, dass wir Dinge, die uns leicht fallen, nur schwer als Stärke akzeptieren können. Viele von uns haben hinterlegt, dass das, was uns keine Anstrengung kostet, nichts wert ist. So ist es für manche beispielweise selbstverständlich, sich in 6 Sprachen fließend ausdrücken zu können, eine Fähigkeit, wofür andere sich alle Beine ausreißen müssten.

In ihrem Buch beschreiben Sie aber auch, wie wichtig Fehler sind um sich weiterzuentwickeln. Wie kann man es schaffen, sich selber zu verzeihen?
Auch hier ist der Ansatz der Selbstliebe unerlässlich. Wer sich selbst schätzt und mag, kann mit Fehlern leichter umgehen und im Idealfall der Geschichte noch eine witzige Pointe abgewinnen. Mein Lieblingsspruch dazu lautet: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Nur wenn Sie experimentierfreudig sind, Ihre Ideen in die Tat umsetzen, können Sie sehen, ob Ihre Idee praxistauglich ist. Unser Gehirn lernt am besten über Fehler! Also werden Sie mutig und gewinnen Sie so mehr Lebensqualität!

Wie haben Sie es geschafft, Ihre Stärken und Schwächen so anzunehmen wie sie sind?
Indem ich mir immer wieder vor Augen führe, was mich ausmacht, welche Stärken und Fähigkeiten ich habe. Mit meinen Fehlern und optischen Unvollkommenheiten habe ich mich 30 Jahre lang aufgehalten und glauben Sie mir, es hat mich keinen Meter voran gebracht. Heute geht es mir gut mit mir selbst, ich gehe mit mir um wie mit meiner besten Freundin: reflektiert, wohlwollend und manchmal mit einem sanften Tritt in den Allerwertesten, allerdings niemals so rabiat, dass ich mich selbst in Frage stelle.

Wie wirkt sich diese Ausgeglichenheit auf die Partnersuche aus?
Wer ausgeglichen auf die Suche geht, wird genau das anziehen, was er benötigt. Mangel und Gier sind leider keine guten Ratgeber. Doch finde ich es sehr wichtig, im Vorfeld ein paar Dinge wie die Werte, die ich in der Partnerschaft leben will, zu definieren, zum Beispiel, was mir bei meinem Partner wichtig ist. Je besser man weiß, was man will, umso einfacher findet man es dann. „Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg“ (Laotse).

Sie haben ein Glückstagebuch, in dem Sie immer abends die schönen Momente des Tages eintragen. Was können Sie Menschen raten, die sagen, sie hatten schon lange keinen schönen Moment mehr, der es wert ist dort eingetragen zu werden?
Sie beschreiben eine Situation, die mir in meiner Coachingpraxis sehr häufig begegnet. Leider glauben wir, dass Glück etwas Großes, Einzigartiges und Gewaltiges ist, doch es versteckt sich in kleinen Alltagsdingen. Wie in einer Dankes-Mail eines Kunden, einem schönen, tiefgehenden Gespräch mit einer Freundin, einem tollen ausgelassenen Tag mit Kindern, einem „Ich hab Dich lieb“ meiner Nichten, einer SMS meines Partners, dass er gerade an mich denkt oder einem lustigen Plausch mit dem Nachbarn. Wenn Sie Ihren Tag abends unter die Glückslupe nehmen, werden Sie viele schöne, bereichernde und erfüllende Momente finden und können diese dann aufschreiben.

Authentizität ist eine Eigenschaft mit der Sie sich befassen. Was bedeutet eigentlich „authentisch sein“ ?
Das Wort „Authentikos“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „echt, unverfälscht sein“, also „Sein statt Schein!“ 

Wie schafft man es wirklich authentisch zu sein?
Dass dies gar nicht so einfach ist, erleben wir täglich in unserem Alltag. Es passiert immer wieder, dass wir in eine Rolle reinrutschen, um es anderen Recht zu machen bzw. unsere Defizite zu verschleiern. Wir neigen dazu, uns im Außen immer besser darzustellen als wir wirklich sind. Eine spannende Studie zu diesem Thema hat dies eindrucksvoll belegt: Man machte Fotos von Probanden und bearbeitete diese mit Photoshop. Nach kurzer Zeit zeigte man den Probanden das Ursprungsbild sowie das bearbeitete Bild und hinterfragte, welches das echte, ursprüngliche Bild von ihnen sei.Die Probanden entschieden sich alle für das geschönte Foto. Laut Michael Kernis und Brian Goldman, beide Sozialpsychologen, hat Authentizität vier Komponenten:

  1. Bewusste Wahrnehmung: In der Lage zu sein, Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche in sich selbst wahrzunehmen, ihnen zu vertrauen. Sich über eigene Stärken und Schwächen bewusst zu sein, selbstreflektiert durch die Welt zu gehen.
  2. Selbstbild-Fremdbild: Fähig zu sein, die innere Wahrnehmung mit den Rückmeldungen anderer abgleichen zu können, Übereinstimmungen mit dem inneren und äußeren Bild zu finden, sich weder in seinen Schwächen zu verlieren, noch in seinen Stärken über den Klee zu loben.
  3. Konsequentes Handeln: Dinge aus sich heraus beschließen zu können. Nicht nach Werten, Vorlieben und Wünschen anderer zu agieren, nur um zu gefallen. Zu seinen Entscheidungen zu stehen und mit den Konsequenzen zu leben.
  4. Ehrlichkeit im Umgang mit anderen Menschen: Schonungslose Offenheit und Wahrhaftigkeit in engen Beziehungen. Sich ungeschönt, ohne glänzendes Image zu zeigen, zu präsentieren. Echt sein.

Warum ist es für die Partnersuche besser, wenn man authentisch bleibt und sich nicht verstellt?
Was bringt es Ihnen beispielsweise vorzugeben, Sie wären ein Kunstexperte, der sich wunderbar in dieser Welt auskennt, nur um akzeptiert und bewundert zu werden? Stellen Sie sich vor, Sie lernen nun einen Menschen kennen, der wirklich ein Kunstkenner ist! Sie werden die nächsten Monate/Jahre auf sämtlichen Kunstmessen, Auktionen, Vernissagen verkehren. Und was, wenn Ihnen das eigentlich gar keinen Spaß bereitet? Wir verkaufen uns in der Kennenlernphase immer besser und hochwertiger als wir in Wirklichkeit sind. Versuchen Sie, nah an der Wahrheit zu bleiben, sich so zu geben, wie Sie sind! Schwindeleien und Hochstapelei kommen spätestens nach ein paar Monaten sowieso ans Tageslicht.

"Ich weiß wer zu dir passt - ohne Umwege zum Beziehungsglück"

Tatjana Strobel

arkana Verlag

ISBN: 978-3-442-34115-3