Traumwochenende in Bozen: Eiscreme, Lebkuchen, Palmen und Schnee
Bozen - das Tor zu den Dolomiten - wie sich die Hauptstadt Südtirols, in der gut 100.000 Einwohner leben, nennt, ist ein Schmelztiegel der Kulturen.
In keiner anderen Stadt der Alpen vermischen sich die österreichisch-deutsche und italienische Lebensart derart offensichtlich und gekonnt. Aber nicht nur die Bikulturalität, sondern auch das Aufeinandertreffen zweier Lebensräume, machen die Alpenhauptstadt des Jahres 2009 so interessant. Wo sonst kann man mediterranes und alpines Flair an einem Tag erleben? Unsere Autorin Johanna Stöckl war im Dezember für ein Wochenende vor Ort.
Gertrud Rass ist sportiv und chic gekleidet. Wie eine Italienerin. Schal, Handschuhe und Jacke fein aufeinander abgestimmt. Edle Tasche, schöne Schuhe. Die Stadtführerin empfängt uns vor dem Tourismusamt in Bozen. Sie spricht mit südtiroler Akzent. Unsere Tour hat Gertrud ungewöhnlich früh angesetzt. Der Weihnachtsmarkt in Bozen zieht an den Adventswochenenden täglich tausende von Touristen, vor allem Italiener, an.
Um einen kunsthistorischen Rundgang durch Bozen in Ruhe zu erleben, ist es ratsam früh aufzustehen. Denn ab Mittag ist in den Gassen Bozens regelrecht der Teufel los. Knapp zwei Stunden dauert unsere Führung. Gesehen haben wir dabei viel: Waltherplatz, Dom, Dominikanerplatz mit gleichnamiger Kirche und angrenzendem Kreuzgang, Kapuzinerkirche, Obstmarkt, Franziskanergasse, Laubengasse, Merkantilgebäude, Palais Menz und diverse Museen. Was mir– vom Fachwissen einmal ganz abgesehen – an Gertrud besonders gefällt: Sie ist offen und spricht Themen an, die mich reizen. Ihr Pass ist italienisch. Ihr Herz tickt anders. Aber wie? Mit ihrer Hauptstadt Rom hat Gertrud, vom Kunstkulturellen einmal abgesehen, wenig am Hut. Sie ist Südtirolerin. Durch und durch. Als solche verbindet sie ein Gefühl der Zugehörigkeit natürlich mit ihren Südtiroler Landsleuten. Aber auch mit Österreichern und Bayern fühlt sie sich verwandt. Man sei sich ja so ähnlich. Und doch: Geheiratet hat Gertrud einen Italiener. Und damit meint sie einen Mann, der nicht aus Südtirol stammt. Die Ehe ist mittlerweile geschieden: „Wir waren auf Dauer zu unterschiedlich.“ Was geblieben ist, kann sich dennoch sehen lassen: Sie und ihre zwei Söhne sprechen fließend Italienisch, leben ein sehr unabhängiges und erfülltes Leben. Gertrud liebt die Berge und gibt uns massenweise Tipps, was wir am Wochenende erleben könnten. Als wir am Schluss noch einen Espresso mit ihr trinken, gibt sie zu: „Wir haben von Italien auch profitiert. Die Weltoffenheit, die gute Küche, Stil, Mode, den Chic und die Liebe zum Design, das alles haben wir Südtirolern den Italienern zu verdanken.“
Den Nachmittag vertrödeln wir in der Stadt, essen Pasta, flanieren über den Weihnachtsmarkt, trinken heiße Schokolade, obwohl es dafür eigentlich viel zu warm ist und machen einen Abstecher an den Stadtrand von Bozen, wo wir uns die Firmenzentrale von SALEWA anschauen. Das futuristische Gebäude, einem Bergkristall nachempfunden, ist mittlerweile zu einem Art Wahrzeichen von Bozen geworden und zieht internationales Publikum aus der Architektur-und Outdoorwelt an.
Tags darauf sind wir mit Helmut verabredet. Der Bergführer aus Völs am Schlern fährt mit uns Richtung Seiser Alm. Keine 40 Kilometer östlich von Bozen entfernt, betreten wir in Compatsch eine völlig andere Welt: Tiefverschneit die Winterlandschaft. Skifahrer und Skitourengeher tummeln sich auf dem malerischen Hochplateau in der Wintersonne. Kaum vorstellbar, dass wir in Bozen gestern noch Eis gegessen haben. Die Lifte sind erst seit ein paar Tagen geöffnet. Noch ist es ruhig hier oben. Nach ein paar Minuten Gehzeit lassen wir die Skilifte hinter uns und sind ab nun für den Rest des Tages allein unterwegs. Auf Schneeschuhen wandern wir Richtung Puflatschütte, weiter über die Hexenbänke zum Gollerkreuz, kehren in der zauberhaften Arnikahütte ein und komplettieren unseren Rundweg über die so genannte Dosser Schwaige. Dass sich das Wetter während unseres Rundweges dramatisch verschlechtert, verleiht unserer Tour einen Hauch von Abenteuer. Überhaupt ist das Schneeschuhwandern ein großer Spaß und eine durchaus sportliche Angelegenheit. Wer wie wir fünf Stunden durch Tiefschnee stapft und dabei den einen oder anderen Höhenmeter zurücklegt, fühlt sich hernach richtig ausgepowert. Helmut nennt uns jeden Gipfel, den wir in der Nähe oder Ferne sehen und erzählt uns viel aus seiner Heimat. Er ist mehr als ein sympathischer und kompetenter Bergführer. Der 46-jährige Südtiroler leitet mit Arc Alpin seine eigene Bergagentur. So sehr er mit seiner Heimat Südtirol verbunden ist, zieht es ihn – rein alpinistisch - auch regelmäßig in die Welt hinaus. Große, namhafte Berge hat er schon bestiegen und sich in schwierigen Wänden auf der ganzen Welt versucht. Helmut Kritzinger ist nach Reinhold Messner der zweite Südtiroler, der alle Seven Summits, die jeweils höchsten Berge der sieben Kontinente, bestiegen hat. Er hat viel erlebt und wunderschöne Plätze auf der ganzen Welt gesehen. Und doch: „Nach jeder Expedition kehre ich gerne in meine Heimat zurück. Mein Hausberg ist der Schlern. Mein Kinderspielplatz waren die Dolomiten. Ich liebe meine Heimat Südtirol. Es gibt keinen besseren Lebensmittelpunkt für mich. Hier finde ich alles vor, was ich brauche.“
Sonntag gegen 10 Uhr ist Bozens Innenstadt schon richtig überfüllt. Trotz milder Temperaturen drängen sich unzählige Touristen am Weihnachtsmarkt. Bei über 20 Grad ist uns nicht danach. Wir spazieren an der Talfer entlang, später über die sogenannte Oswaldpromenade in Richtung St. Magdalena und genießen Spätsommer im Advent. Der gut ausgeschilderte Rundweg ist ein Traum mit herrlichem Blick auf die Stadt Bozen, die Weinberge und die sagenhaften Berge Südtirols. Als wir schließlich die Talstation der Rittner Seilbahn passieren, steigen wir kurz entschlossen ein und lassen uns nach oben schutteln. Der Ritten ist ein über 100 km2 großes Hochplateau über Bozen. In 1.200 Metern Höhe bleibt es auch im Sommer kühl. Ein Grund für viele Bozner sich am Ritten eine Bleibe anzuschaffen oder dort im August ein Haus zu mieten. Denn während der Sommermonate steigen in Bozen die Temperaturen gewaltig an. Im Dezember ist es hier oben besonders schön. Die Rittnerbahn, eine Schmalspurbahn, ist weihnachtlich geschmückt. Mit ihr tingeln wir weiter. Von einer kleinen Ortschaft in die nächste. Stets inklusive: atemberaubender Panoramablick. Als fünf Männer der örtlichen Blasmusikkapelle, in Tracht gekleidet, zusteigen, bekommen wir sogar ein Gratiskonzert dazu geliefert.
Zum Abendessen wandern wir von Bozen aus über die Virgilpromenade auf die Haselburg und genießen ein letztes Mal den herrlichen Blick über die Stadt. Ich habe die Worte von Bergführer Helmut im Hinterkopf. Die Region um Bozen bietet wirklich alles, was das Herz begehrt. Hier könnte ich leben. Sehr gut sogar.
Fotos: Johanna Stöckl
Adressen
Verkehrsamt der Stadt Bozen
Waltherplatz 8, I-39100 Bozen
Tel: +39-0471-307 000
Ritten und dazugehörige Seilbahn
www.ritten.com/de
Haselburg
www.haselburg.it
Bergführer
Helmut Kritzinger und sein Team
www.arcalpin.it/
Weihnachtsmärkte in Südtirol
Bozen, Meran, Brixen, Sterzing und Bruneck
www.weihnachten.it
Hotels
Gasthof Kohlern
Kohlern 11
I-39100 Bozen
Tel +39 0471 329978
www.kohlern.com/bozen-kohlern/gasthof-kohlern.htm
Hotel Greif
Waltherplatz
I-39100 Bozen
Tel +39 0471 318 000
www.greif.it/de/
Parkhotel Laurin
Laurin Straße 4
I-39100 Bozen
Tel +39 0471 311 000
www.laurin.it/de/
Tipp
Die Bozen Card kostet 28,00 € für Erwachsene und beinhaltet neben der freien Fahrt mit allen Bergbahnen, Bussen, Nahverkehrszügen, tolle Leistungen wie Stadtführungen und Wanderungen.
Wer länger als einen Tag in Bozen verbringt, sollte diese unbedingt erwerben.
www.bolzano-bozen.it/de/kultur/bolzano-bozen-card.html