Worauf kommt es beim Ballett eigentlich an? Lohnt es sich, als Erwachsener mit dem Training an der Stange zu beginnen? Und wie schafft man bloß einen Spagat? Bühnentänzer Christopher Carduck ist fit, jeder Teil seines Körpers ist durchtrainiert, die Haltung stolz, der Blick konzentriert. Zwei Stunden am Tag trainiert er um fit für seine Rollen als Schäfer und Sklaventreiber zu sein. Die Körperhaltung sei das Wichtigste, so Carduck zu Beginn des Workshops. Fest in der Hüfte, die Schultern gesenkt. Wir starten mit Position eins, die Füße nebeneinander, die Fersen berühren sich. Während Christophers Arm anmutig seine Bewegungen begleitet, sind wir mit dem Beugen und Strecken von Bein und Fuß mehr als beschäftigt, der Arm ist eher Nebensache und flattert angestrengt nebenher. Vom Spitzentanz ist das natürlich noch weit entfernt. Wir wollen uns also nicht der Illusion hingeben, man könne Ballett als Erwachsener von Grund auf lernen. Und doch sind wir neugierig darauf geworden, was ein Ballett-Profi zum Thema Körperhaltung, Fitness und den Spagat zu sagen hat.

amicella: Du wusstest früh, dass du dein Leben dem Tanz widmen würdest. Wie ist deine Liebe zum Ballett entstanden?
Christopher Carduck: Meine Liebe zum Ballett hat sich über die Jahre hinweg entwickelt. Ich hatte natürlich schon früh Interesse am Tanzen und am Ballett, aber erst durch die Arbeit als Tänzer und mit meinen ersten Solorollen, habe ich eine echte Liebe fürs Ballett entwickelt. Heute könnte ich mir ein Leben ohne Tanz nicht mehr vorstellen.

Du sagst die Körperhaltung sei im Ballett mit das Wichtigste. Worauf kommt es dabei an?
Es kommt vor allem auf die Grundhaltung des Körpers an. Darauf, dass das Becken platziert ist und die Arme und Beine ihre feste Position haben. Der Oberkörper und die Schultern müssen gestreckt und gerade sein – so kann eine aufrechte Haltung entstehen.

Viele haben das Vorurteil, Ballett wüde zwangsläufig zu einer unnatürlichen Haltung - oder zum Beispiel einem Hohlkreuz - führen. Was sagst du dazu?
…ich habe dieses Vorurteil so gar nicht mitbekommen. Bei mir war es eher andersherum: Vor meiner Tanzausbildung hatte ich ein sehr extremes Hohlkreuz. Durch das Tanzen und die Haltung, die man erlernt, ist mein Hohlkreuz komplett zurückgegangen. Was eher ein Klischee bestätigt ist der „Pinguin-Gang“, der bei Tänzern sehr oft vorkommt. Oft sprechen mich Leute auf der Straße an, ob ich Tänzer wäre, weil ich eben den typischen Ballettgang habe, bei dem die Fußspitzen nach außen zeigen.

Für eine Karriere als Bühnentänzer muss man früh anfangen. Warum sollte man sich trotzdem als Erwachsener an Ballett heranwagen?
Ballett stärkt und verbessert die Körperhaltung. Zudem ist es eine gute Art und Weise sich fit zu halten. Man lernt viel über seinen Körper und nimmt sich auch ganz anders wahr. Durch den Tanz lernt man auch das Zusammenspiel aus Bewegung und Musik besser kennen.

Du trainierst zwei Stunden am Tag, um für deine Rolle als Schäfer und Sklaventreiber im Musical Phantom der Oper fit zu sein. Gibt es Sportarten, die begleitend zum Balletttraining Sinn machen, um zum Beispiel seine Kondition zu verbessern?
Schwimmen - Bevor ich mit dem Tanzen angefangen habe, habe ich drei Jahre lang intensives Schwimmtraining gehabt. Dadurch konnte ich besonders meine Muskeln stärken. Zudem bekommt man durchs Schwimmen eine gute Kondition.
Was eher schlecht fürs Tanzen ist, sind Sportarten wie Joggen, Inliner- und Radfahren. Dabei beansprucht man Muskeln in den Waden, die beim Tanzen stören.

Am Anfang stehen die unterschiedlichen Ballettpositionen. Wie lange dauert es, bis die Königsdisziplin, der Spitzentanz, ins Training intergriert wird? Und geht das überhaupt, wenn man erst spät mit Ballett anfängt?
Hierbei muss man zwischen Profis und Laien unterscheiden: Sofern man Ballett nur als Hobby tanzt, ist es eher unüblich auf Spitzenschuhen zu tanzen. Bei Tänzern in der Ausbildung wird jedoch ab der ersten Unterrichtsstunde Vorarbeit für den Spitzentanz geleistet. Sofern die Grundvoraussetzungen gegeben sind, steigert sich der Spitzentanz an sich immer weiter. Man lernt also quasi „nie“ aus.

Wer den Spagat erlernen möchte, braucht die nötige Dehnfähigkeit. Wie wird man so gelenkig, wie du es bist?
Ich konnte anfangs gar keinen Spagat! Es hat sehr lange gedauert und sehr viel Dehnarbeit gekostet, bis ich den Spagat beherrschte. Erst in meinem dritten Schuljahr habe ich diese Disziplin komplett beherrscht. Man muss täglich üben und versuchen ein Stückchen weiter runter zu kommen… Dabei sollte man die Atmung nicht außer Acht lassen und die Muskeln entspannen. Sofern man immer am Ball bleibt, kommt irgendwann der Erfolg!

Heiß ist es im Ballettsaal, wir sind verschwitzt, trinken etwas und machen uns über die Erdbeeren am Buffet her. Obwohl der offizielle Teil des Workshops vorbei ist, hat Christopher eindeutig noch nicht genug. Aus dem Augenwinkel beobachten wir, wie er auf dem Boden mühelos Verrenkungen macht, die für uns unvorstellbar wären. Plötzlich springt er auf und ruft voller Freude: "Ich liebe Ballett!" Ein wenig von dieser Liebe ist heute auf uns über gesprungen. Auch wenn eine Tanzkarriere für uns nicht infrage kommt, ein Fitnesstraining wie im Barre-Workout können wir uns Dank Christophers kleiner Balletteinführung nun doch gut vorstellen. Doch zum Spagat ist es noch ein weiter Weg...