amicella: Gehirnjogging soll für mehr Lebensfreude im Alltag sorgen. Welchen Zusammenhang gibt zwischen einem leistungsfähigen Gehirn und Zufriedenheit?
Tilman Lesch: Die geistige Fitness ist ebenso wichtig wie die körperliche und daher ein wichtiger Bestandteil der Lebenszufriedenheit. Man sollte also nicht nur regelmäßig Sport treiben, sondern auch das Gehirn trainieren. Mentales Training kann erheblich zur geistlichen Leistungsfähigkeit beitragen und bringt unzählige Vorteile mit sich: Von erhöhter Stressresistenz und gesteigerter Konzentrationsfähigkeit bis hin zu mehr Effektivität im Beruf, in der Schule oder an der Uni. Erinnerungslücken und Unkonzentriertheit kosten uns oft viel Zeit und erschweren den Alltag, was unzufrieden macht.
Tatsächlich kann Gehirnjogging die Achtsamkeit im Alltag erhöhen. Verschiedene Spiele und Übungen trainieren speziell diesen Bereich der menschlichen Denkfähigkeit. Mit regelmäßigem Training sind hier oft deutliche Verbesserungen erkennbar. Auch eine gute Reaktionsfähigkeit, die häufig mit Achtsamkeit verbunden ist, kann durch gezielte Übungen verbessert werden.

Mit welchen Übungen lässt sich die Konzentrationsfähigkeit steigern?
Ein wesentlicher Bestandteil von Konzentration ist es, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und letzteres auszublenden. Genau diese Fähigkeit kann man mit bestimmten Übungen trainieren, beispielweise mit dem Spiel "Ballchaos" auf Memorado.
Sehr wichtig ist außerdem, dass man sich hin und wieder vollkommen auf sich selbst konzentriert und das Geschehen um einen herum einfach ausblendet. Im Büroalltag hilft manchmal schon eine fünfminütige Auszeit, um neue Kraft zu tanken und anschließend mit erhöhter Konzentration weiterarbeiten zu können – sei es beim Teekochen in der Küche oder einer kurzen Meditation. Man kann außerdem kleine Konzentrationsspiele in seinen Alltag einbauen. Es hilft etwa, sich während eines Gesprächs auf ein bestimmtes Wort wie "und", "ich" oder "nicht" zu konzentrieren. So hört man seinem Gegenüber automatisch besser zu und kann das Gespräch danach leichter rekonstruieren.

In welchem Zusammenhang stehen Gehirnjogging und Kreativität?
Beim Gehirnjogging gibt es spezielle Übungen, die kreatives Denken fördern und verbessern können. Hilfreich ist  etwa, sich ein Wort zu überlegen – zum Beispiel "KIND"- und dann aus den einzelnen Buchstaben einen Satz zu bilden, wie "Kann ich nachher dazukommen?"

Tilman Lesch ist Neurowissenschaftler im Department of Psychiatry an der University of Cambridge in England. Er forscht am Behavioural and Clinical Neurosciences Institute über menschliche Kognition und impulsives Entscheidungsverhalten. Als wissenschaftlicher Berater unterstützt er als außerdem Memorado, das Online-Fitnessstudio für den Kopf.

Was genau ist mit Stressresistenz gemeint und inwiefern kann Gehirnjogging dazu beitragen?
Stressresistenz hängt stark damit zusammen, wie gelassen wir beispielsweise in hektischen Situationen reagieren und wie gut wir den Überblick in chaotischen Momenten behalten. Wer diese Fähigkeit gezielt schult, der kann zum Beispiel einen Tag im Büro, an dem viele unvorhergesehene Aufgaben auf dem Schreibtisch landen, als weniger stressig empfinden. Einige Gehirnjogging-Spiele setzen den Spieler bewusst Stresssituationen aus und kreieren Zeitdruck. Wer regelmäßig mit entsprechenden Spielen trainiert, kennt also die Situation und bleibt eher gelassen, wenn es im Büro mal hektisch wird.

Was versteht man unter Impulskontrolle?
Impulskontrolle beschreibt die Fähigkeit, durch emotionale Eindrücke und Erlebnisse ausgelöste Handlungen zu kontrollieren bzw. zu verhindern. Besonders Spiele im Bereich Logik tragen dazu bei, die Impulskontrolle zu verbessern. Wer logisch denkt, der schätzt Situationen oft realistischer ein und kann in einer Situation angemessen reagieren.

Kann Gehirnjogging Demenz vorbeugen und Erkrankten helfen?
In der heutigen Zeit treten Demenzerkrankungen immer häufiger auf. Gerade in unserem digitalen Zeitalter übernehmen elektronische Geräte zunehmend unser Denken und Handeln. Je mehr man sich jedoch auf solche Helfer verlässt, desto stärker nehmen die kognitiven, aber auch sozialen und emotionalen Fähigkeiten ab. Gehirnjogging kann dabei helfen, diese Entwicklung zu bremsen. Gezieltes Üben kann den Verlust von Nervenverknüpfungen im Gehirn verlangsamen – ein Vorgang, der ungemein wichtig für die Demenzvorbeugung ist.

Gehirnjogging wird vor allem älteren Menschen empfohlen. Ist es auch für Kinder und Jugendliche, die sich noch in der (schulischen) Ausbildung befinden, ratsam?
Natürlich. Gehirnjogging ist für Menschen jeder Altersklasse geeignet. Wenn Prüfungen in der Schule oder der Universität anstehen, hilft Gehirnjogging, den Kopf in Höchstform zu bringen. Grundsätzlich ist es immer ratsam, so früh wie möglich mit dem Training anzufangen. Schon im Grundschulalter kann man durch gezieltes Üben die Konzentrationsfähigkeit und dadurch der Lernerfolg in der Schule verbessern. Es ist aber nicht verkehrt, auch später als Student, Young Professional oder im Ruhestand mit entsprechenden Übungen zu beginnen. Dabei gilt: "Wenig ist besser als nichts". Für einen langfristigen Erfolg ist jedoch regelmäßiges Training zu empfehlen, um so nicht immer wieder von Neuem beginnen zu müssen. Im Idealfall macht das Training sogar Spaß und sollte nicht als Pflicht empfunden werden.

Welche einfachen Tipps haben Sie, um Gehirnjogging auch in den Alltag zu integrieren und das Gehirn anzuregen?
Es gibt unzählige Möglichkeiten, kleine Einheiten auch im Alltag einzubauen – sei es bei einer langen Autofahrt oder im Wartezimmer beim Arzt. Eine effektive Übung ist, das Alphabet rückwärts zu sprechen oder Telefonnummern auswendig zu lernen. Dies fördert neben der Konzentration vor allem die Kurzzeitgedächtnisleistung – ein zentrales Element der mentalen Leistungsfähigkeit. Oder man nimmt morgens einfach mal einen anderen Weg zur Arbeit. So und auf ähnliche Art lassen sich auch kleine Trainingseinheiten von 10 bis 15 Minuten leicht in den Alltag einbauen und das Gehirn wird immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt.