Die Natur wird durch Verpackungsmüll immer stärker belastet. Rund 6 Millionen Tonnen davon entstehen jährlich allein in Deutschland und es wird stetig mehr. Neue Verkaufskonzepte wollen dieser Entwicklung nun entgegenwirken: Verpackungsfreie Supermärkte, die auf Konsum nach tatsächlichem Verbrauch setzen, sind auf dem Vormarsch. Eine längst überfällige Rückkehr zum Kaufen ohne Überfluss, die ein wichtiges Zeichen setzt gegen Umweltverschmutzung, Massenproduktion und Lebensmittelverschwendung.

Wer heute einen Supermarkt betritt, der wird von einer Flut bunter Plastikverpackungen, Werbeslogans und Markenlabels überschwemmt. Die Regale wimmeln von Produkten verschiedener Anbieter, die Auswahl ist eigentlich viel zu groß. Es gilt sich zu entscheiden zwischen dem günstigsten Discounter- oder dem teuersten Markenprodukt. Zwischen vermeintlich besserer oder schlechterer Qualität, Ruf und Ruhm verschiedener Labels. Supermarktregale sind oft Spiegel fleischgewordener, kleiner Verkaufskriege, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Was dabei zu sehr untergeht, ist die enorme Menge an Verpackungsmüll, vor allen Dingen aus Plastik, der dabei entsteht und Natur und Umwelt stark belastet. Letztlich geht es doch eigentlich stets um ein und dasselbe Produkt. Nudeln bleiben Nudeln, genauso wie Mehl, Zucker, Hülsenfrüchte oder Nüsse, von welcher Marke sie auch stammen, immer dieselben Lebensmittel bleiben.

Rückkehr zum "Tante-Emma-Laden"-Konzept

Dass es durchaus auch mal anders ging, beweisen die kleinen "Tante-Emma-Läden", die bis vor einigen Jahrzehnten den täglichen Bedarf vieler deutscher Haushalte deckten. Das Ladenkonzept ist auch heute noch Synonym für individuelle, persönliche Kundenbindung, für Einkaufen nach Bedarf, ausreichendes Angebot ohne Überfluss, Gemütlichkeit und Charme. Vor allem aber auch für Einkaufen ohne schlechtes Gewissen. Nicht umsonst erfüllen sich die Herzen vieler Käufer heutzutage mit Nostalgie, wenn sie die Worte "Tante Emma" hören. Doch so nostalgisch braucht der Kunde von heute gar nicht mehr zu sein. Mittlerweile gibt es immer mehr Läden, die sich dem alten Konzept des unkonventionellen Einkaufens nach Maß und Bedarf wieder annähern. Sie wollen auf Verpackungen, vor allem aus Plastik, weitgehend verzichten und den Kunden zum Konsum nach tatsächlichem Verbrauch anregen.

So zum Beispiel das Geschäft "Twelve Monkeys – vegankrams" von Sandra Neumeier im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Sie betreibt den komplett veganen Laden seit Mai 2015 und bietet von Anfang an einige ihrer Produkte verpackungsfrei an. Neumeier möchte dadurch vor allen Dingen mehr Bewusstsein  für den eigenen Konsum schaffen: "Die Kunden sollen sich darüber bewusst werden, wie viel Verpackungsmüll sie eigentlich durch ihren eigenen Verbrauch verursachen."

6 Millionen Tonnen davon entstehen nämlich jährlich allein in Deutschland. Besonders die Meere sind von den Unmengen an Plastik, die durch den täglichen Bedarf entstehen, enorm verschmutzt. In jedem Quadratkilometer der Ozeane schwimmen indes zehntausende Plastikteile. Im Nordpazifik zum Beispiel treibt ein ganzer Plastikstrudel, der mittlerweile so groß ist wie Zentraleuropa. Dabei braucht ein Stück Plastik rund 350-400 Jahre um sich komplett zu zersetzen. Die Daten sind alarmierend, denn der Plastikmüll bedroht nicht nur Tiere, Pflanzen und Umwelt - über die Nahrungskette landen kunststoffverseuchte Lebensmittel auch auf unseren Tellern. Der neue, alte Trend des verpackungsfreien Einkaufens ist daher mehr als überfällig.

Der Kunde kauft nur, was er auch wirklich (ver)braucht

Die Idee wird im Twelve Monkeys mittlerweile gut angenommen, auch wenn oft zunächst Verwunderung herrscht: "Viele Kunden wissen meist erstmal nicht, wie sie mit den verpackungsfreien Lebensmitteln umgehen sollen, aber spätestens wenn ich ihnen zeige, wie hoch der Preisunterschied zwischen unverpackten und verpackten Lebensmitteln ist, sind sie begeistert." Ein weiterer Vorteil des Kaufens ohne Verpackung: Die Menge eines Produktes wird nicht länger von der Industrie vorgegeben, der Kunde kauft nur, was er auch wirklich (ver)braucht. Dadurch wird nicht nur Umwelt, sondern auch Geldbeutel geschont.

Das Sortiment verpackungsfreier Lebensmittel im Twelve Monkeys umfasst mittlerweile über 80 Produkte, darunter unter anderem Nüsse, Hülsenfrüchte, Gewürze, Müsli, Fleischersatz, Tierfutter, Nudeln, Reis, Waschmittel und sogar Zahnpasta. "Problematisch ist alles was flüssig ist, oder gekühlt werden muss. Hier ist es schwierig den Abfüllvorgang hygienisch zu gestalten, vor allem wenn die Kunden in Selbstbedienung an die Lebensmittel dürfen", sagt Neumeier, die ihr Sortiment stetig erweitern möchte. "Jede Woche kommt meist ein neues Produkt hinzu. Seit Kurzem haben wir sogar vegane Bruchschokolade dabei, das kommt bei den Kunden besonders gut an!"

Mittlerweile gibt es in immer mehr deutschen Städten Supermärkte, die zum Teil auch komplett auf Verpackungen verzichten. Beispiele sind das "Original Unverpackt" in Berlin, das "Unverpackt" in Kiel oder der Laden "LoLa" in der Hannoveraner Südstadt, der mittels einer Crowdfunding Kampagne finanziert wurde und erst vor Kurzem eröffnet hat. Den 3 Gründern Michael Albert, Silvie Seb und Helmut Fürll liegt das plastikfreie Einkaufen besonders am Herzen, so haben sie sogar eigene Lebensmittelspender entwickelt, die komplett auf Kunststoff verzichten. Für Betreiber Michael Albert ging die Idee des plastikfreien Einkaufs nicht damit zusammen, die Waren gleichzeitig aus Plastikbehältern anzubieten. Auf seine Idee hat er nun Patent angemeldet.

Auch einige Onlineshops haben sich indes dem plastikfreien Konsum gewidmet. So zum Beispiel Plasno.de oder Laguna. Hier finden sich neben Haushaltswaren für Küche und Bad auch Utensilien für Babys, Lunchboxen oder Trinkflaschen – alles komplett frei von Kunststoffen natürlich. Ein Blick in das Sortiment der Shops lohnt sich allein schon um zu sehen, was alles auch plastikfrei hergestellt werden kann. Der Versand der Waren erfolgt selbstverständlich in Recycling-Kartons und wird komplett CO2-neutral verschickt, das heißt, die beim Verschicken entstehenden CO2-Emissionen werden durch den Kauf von Emissionszertifikaten wieder ausgeglichen.

Vorbild "Zero Waste"

Ein Einkauf in verpackungsfreien Läden bedarf insgesamt ein wenig mehr Planung, als ein vergleichbarer Erwerb in einem konventionellen Supermarkt. Schon vorher sollte man sich überlegen was die nächsten Tage zubereitet werden soll und wie viel dafür von den einzelnen Lebensmitteln benötigt wird. Dementsprechend große bzw. kleine Gefäße zum Abfüllen gilt es dann auszuwählen und zum Einkauf mitzubringen. Trotzdem lohnt sich der Aufwand, denn jeder kleine Schritt zum Reduzieren des Verpackungs- bzw. Plastikmülls trägt zum Umweltschutz bei. Zahlreiche sogenannte "Zero Waste-Blogger" wie ZeroWasteLifestyle.de oder zerowastefamilie.de geben auf ihren Internetseiten Tipps zum verpackungs- bzw. plastikfreien Leben im Alltag. Einige gehen sogar so weit, dass sie sich sämtliche Kosmetikprodukte wie Deo, Zahnpasta, Tages-oder Nachtcreme selbst anrühren – das geht sogar leichter als man denkt.

So weit muss natürlich nicht jeder gehen, von müssen kann sowieso nicht die Rede sein. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, ob und wie er seinen Lebensstil eventuell umstellen möchte, um Müll zu vermeiden. Aber jeder kleine Beitrag besitzt schon seine Wichtigkeit. Ob man nun auf die Plastiktüte im Supermarkt verzichtet oder wiederbefüllbare Seifenspender verwendet, statt Kapselkaffee lieber gemahlenen Kaffee zubereitet, auf Trinkhalme verzichtet oder Recycling-Toilettenpapier kauft: All das kann dazu beitragen die Berge an Plastikmüll, die täglich produziert werden, ein wenig zu verkleinern.

Auch Sandra Neumeier möchte ihren kleinen "veganen Tante-Emma-Laden", wie sie ihn nennt, ausbauen und das Sortiment verpackungsfreier Lebensmittel weiter vergrößern: "Ein kleiner Traum, welcher mir so langsam vorschwebt, wäre noch eine vegane "Fleisch- und Käsetheke", in der man auch diese Lebensmittel verpackungsfrei einkaufen kann. Aber dafür bräuchte ich dann einen größeren (oder zweiten) Laden." So könnte sie auch frischere Produkte ohne (Plastik)Verpackungen anbieten und es den Kunden auch in diesem Lebensmittelsegment leichter machen, ihre Ware ohne Verpackungsmüll einzukaufen.

Zur Zeit ist die Bewegung des verpackungsfreien Einkaufens noch ein Trend, der nach und nach mehr Anklang findet und wächst. Es ist zu hoffen, dass er nicht nur temporär bleibt, wie das bei Trends oft der Fall ist, sondern auf lange Sicht in immer größerem Umfang zunehmend Fuß fassen und sich durchsetzen kann. Bis dahin regen Neumeier und Co. ihre Kunden weiter zum bewussteren Umgang mit Lebensmitteln und ihren Verpackungen an und bewirken dadurch bei dem ein oder anderen vielleicht schon eine Veränderung.

Denn: Life in pastic ist eben doch nicht so fantastic, wie wir es einst vom Barbie Girl gelernt haben...