Die Seite Wegweiser Kinderwunsch startete eine Aktion: Sie riefen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch dazu auf, ihre noch nicht schwangeren Bäuche unter dem Hashtag #1von7 zu posten.

Allein auf Instagram sind über 200 Posts mit Bäuchen und den Geschichten der Frauen zu lesen. Einigen fällt das sichtlich nicht leicht. Denn was viele nicht wissen: ein unerfüllter Kinderwunsch bedeutet nicht nur warten, sondern ab einem bestimmten Punkt auch einen Spießrutenlauf von Arzt zu Arzt. Vor den Paaren liegen dann Wochen, Monate oder Jahre voller Untersuchungen und Behandlungen, die nicht nur schmerzhaft, sondern auch teuer sind. Ein unerfüllter Kinderwunsch wird nur sehr begrenzt staatlich gefördert: die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen nur einen geringen Anteil der Kosten. Und das, obwohl seit Jahren zahlreiche Dossiers und Talkshows vom Ungeheuer des demographischen Wandels berichten, das uns heimsucht.

Die Betroffenen fühlen sich damit allein gelassen. Der Hashtag und die vielen Bilder geben jedoch Hoffnung und zeigen Solidarität. Das hilft auf dem langen Weg, den die Paare schon hinter sich und noch vor sich haben. Der unerfüllte Kinderwunsch ist immer noch ein Tabuthema. Zwar gibt es moderne medizinische Methoden und Behandlungen - im zwischenmenschlichen Bereich ist das Thema jedoch mit vielen Klischees und Stereotypen belegt.

Ein Grund für das Schweigen über den unerfüllten Kinderwunsch sind unsere Rollenbilder. Wir verbinden Weiblichkeit und Männlichkeit nicht nur mit Aussehen und Verhaltensweisen, sondern auch mit der Fähigkeit, ein Kind zu zeugen. Damit ist nicht nur die konservative Vorstellung von Kind, Küche und Kirche gemeint, sondern in gleichem Maße unser Bild von Männlichkeit. Welcher Mann will schon zugeben, dass er kein Kind zeugen kann? Selbst wenn seine Freunde ihn „nur scherzhaft“ als „keinen richtigen Mann“ bezeichnen, kratzten diese Sticheleien am Ego.

Das große Schweigen wird am Arbeitsplatz noch viel politischer, als im privaten Umfeld. So beschreibt eine junge Frau auf ihrem Blog, dass sie Angst hat, ihrem Chef davon zu berichten. Stattdessen denkt sie sich für jeden Kinderwunsch-Arzttermin eine neue Ausrede aus. Dafür hat sie gute Gründe: Zum einen wird es dem Arbeitgeber irgendwann sehr lästig werden, wenn sie ständig fehlt. Schließlich ist es eben keine Magen-Darm-Grippe, die jeder mal hat, beschreibt sie, sondern ein Kinderwunsch, den Außenstehende nur schwer nachvollziehen können. Zum anderen schwingt bei dieser längeren Behandlung auch immer mit, dass es ja doch mal klappen könnte, sie für mindestens ein Jahr ausfällt und dann zu „unwirtschaftlich“ für den Betrieb ist. Beides könnte zur Kündigung führen „wegen irgendwas. Einen Grund findet man immer, wenn man nur sucht.“

Abgesehen von diesen strukturellen Problemen ist es für ungewollt kinderlose Paare auch sehr schwer, den Kinderwunsch in ihr soziales Leben zu integrieren. Die mitleidigen Blicke und gut gemeinte, aber nicht gut gemachte Hilfe sind auf Dauer frustrierend. Nach mehreren erfolglosen Behandlungen stellt sich auch, ob man will oder nicht, der Neid auf befreundete Paare ein, die ohne Probleme Kinder bekommen.

All das soll die Aktion öffentlich machen. Die sechs Millionen Menschen in Deutschland, die ungewollt kinderlos sind, sollen gestärkt und sichtbar gemacht werden. Hier zeigen sich jedoch die Schwachstellen der Aktion. Gezeigt werden nur die Bäuche- nicht die Gesichter. Die Betroffenen können anonym bleiben. Zwar zeigen sie damit Solidarität, lösen aber nicht das Problem des Schweigens. Außerdem sind so nur die Frauen zu sehen, obwohl die Kinderlosigkeit das Paar betrifft. Damit wird nur die Frau gesehen- als Verursacherin und Leidtragende. Obwohl beides auch der Mann sein kann und ist.