Interview: Alexandra Bersch
Zum sechsten Mal hat der Schweizer Schriftsteller Martin Suter eines seiner Werke in die Hände eines Regisseurs gegeben. Der Koch - die leidenschaftliche Geschichte des Tamilen Maravan, der im züricher Exil mit der aphrodisierenden Wirkung der ayurvedischen Küche experimentiert, wurde mit Hamza Jeetooa und Jessica Schwarz in den Hauptrollen verfilmt. Wir haben mit dem Buchautor über Film, Geschmack und Leidenschaft gesprochen.

amicella: Die Veröffentlichung Ihres Romans liegt nun schon vier Jahre zurück. Wie fühlt es sich für Sie an, dass die exotische Geschichte um Maravan und sein Love Food nun wieder in Ihr Leben tritt?
Martin Suter: Ein Schriftsteller freut sich natürlich, wenn die Halbwertszeit einer seiner Geschichten ein wenig verlängert wird.

Was für ein Gefühl ist es, sein Buch verfilmt auf der Leinwand zu sehen?
Es ist, wie wenn jemand sein Haus fotografiert: Man sieht Perspektiven, die man selbst noch nie entdeckt hat, und andere, an die man sich gewöhnt hat, fehlen plötzlich.

Sie schreiben Drehbücher - allerdings nicht für die eigenen Buchverfilmungen? Warum?
Ein Roman ist ein Endprodukt, ein Drehbuch ist ein Rohprodukt. Einen eigenen Roman in ein Drehbuch zu verwandeln heisst, aus einem Endprodukt wieder ein Rohprodukt zu machen, den fertigen Pullover wieder aufzutrennen. Zudem hatte ich bisher keine Lust, mich mit einem abgehandelten Stoff wieder neu zu beschäftigen.

Fällt es Ihnen schwer, Ihre Geschichten aus der Hand zu geben und den Drehbuchautoren und Regisseuren zu überlassen?
Nein, das fällt mir überhaupt nicht schwer. Ich weiß, dass Film ein anderes Medium ist als Bellestristik. Mir ist nur wichtig, dass die Essenz meiner Geschichte erhalten bleibt.

Welches Buch (nicht unbedingt Ihr eigenes) würden Sie gerne verfilmt sehen?
Endlich "Die dunkle Seite des Mondes". Ich höre, der Film sei in Arbeit, aber ich habe weder ein Drehbuch noch ein Konzept gesehen und kann nur die Daumen drücken.

Sie sagen, Ihre Frau sei eine unbestechliche Kritikerin, wenn es um Ihre Bücher geht. Wie steht es diesbezüglich um die Verfilmungen? Hat sie sich bereits zum Film DER KOCH geäußert?
Natürlich äussert sie sich auch zu den Verfilmungen. Aber weil ich für diese nicht verantwortlich bin, tut sie dies weniger engagiert als bei meinen Manuskripten.

Als sie das Buch geschrieben haben, war die Molekularküche gerade das Angesagteste in den guten Restaurants der Welt. Mit welchem der heutigen Küchentrends würde Maravans Küche auch funktionieren?
Dass man mit Hilfe von Hightec die ayurvedischen Rezepte potenzieren kann, scheint mir nach wie vor die glaubwürdigste Methode.

In der Romanvorlage schaffen Sie es, Geschmäcker und Gerüche durch Sprache wahrnehmbar zu machen. Kann die Leinwand derartige Empfindungen genauso gut transportieren? Oder hat der Film hier das Nachsehen gegenüber der Literatur?
Die Literatur hat den Vorteil, dass sie in den Lesern mit den richtigen Schlüsselwörtern Bilder, die sie gespeichert haben, abrufen kann. Und das kann sie auch mit Gerüchen. Das Kino arbeitet mit eigenen Bildern, und die kommen den Bildern in unseren Köpfen in die Quere. Das ist auch immer das Problem mit Filmen, deren Romanvorlage man schon gelesen hat.

Fehlt es den Mitteleuropäern an Sinnlichkeit – oder ist das ein Vorurteil?
Ich glaube nicht, dass Sinnlichkeit ein geografisches Phänomen ist.

Der Koch

Ab dem 27. November 2014 im Kino
Regie: Ralf Huettner
mit HAMZA JEETOOA, JESSICA SCHWARZ und HANSPETER MÜLLER-DROSSAART