Foodwatch hat den Vorschlag sechs großer Konzerne für eine neue EU-weite Lebensmittelkennzeichnung scharf kritisiert. Schon länger war eine Ampelkennzeichnung für Nährwerte in der Debatte. Die Industrie möchte dafür nun ihr eigenes Modell durchsetzen.

Ein solches Ampelsystem wurde 2007 erstmalig von der britischen Lebensmittelbehörde FSA konzipiert. Mittels Ampelfarben wird auf der Verpackung eines Lebensmittels sein Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz bewertet. Als Berechnungsgrundlage dient hier einheitlich der jeweilige Nährstoffgehalt pro 100 g des Lebensmittels. Am Beispiel Zucker bedeutet dies: Sobald ein Produkt mehr als 15 g Zucker pro 100 g enthält, also einen Zuckergehalt von mindestens 15 % aufweist, wird es mit einer roten Ampel bedruckt.

Das System der Industrie-Ampel funktioniert anders: Hier berechnet sich die Ampelfarbe anhand von Portionsgrößen, die je nach Lebensmittel unterschiedlich groß sein können. Beim Beispiel Zucker wird etwa erst dann eine rote Ampel ausgewiesen, sobald die angegebene Portion mehr als 13,5 g Zucker enthält. Der angegebene Prozentsatz von Zucker am gesamten Lebensmittel variiert damit abhängig von der Portionsgröße.

Zwei Beispiele: Für die Frühstücksflocken Cini Minis von Nestlé wird eine Portionsgröße von 40 g angegeben. Um eine rote Ampel zu erreichen, müsste der Zuckergehalt ganze 33,7 Prozent betragen. Noch extremer sieht es bei Nutella von Ferrero aus: Bei einer angegebenen Portionsgröße von 15 g müsste der Aufstrich für eine rote Ampel sogar zu über 90 Prozent nur aus Zucker bestehen. Die Folge: Weder Cini Minis noch Nutella würden mit einer roten Zucker-Ampel gekennzeichnet.

"Mit ihrer neuen Initiative präsentieren sich die Lebensmittelriesen als Teil der Lösung – doch in Wahrheit sind sie Kern des Problems", so Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei Foodwatch. Auch die Organisation fordert eine EU-übergreifende verpflichtende Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben. Die Kriterien dafür müssten aber von Experten bestimmt werden, nicht von der Lebensmittelindustrie selbst.

Die Geschichte der Ampel-Idee ist bereits älter: Schon 2010 sollte eine obligatorische Ampelkennzeichnung für den Nährwertgehalt von Lebensmitteln in der EU eingeführt werden. Dies wurde in aufwendiger Lobbyarbeit von der Lebensmittelwirtschaft verhindert. Diese schlug stattdessen das GDA-Modell (Guideline Daily Amount) vor: Basierend auf oft unrealistisch kleinen Portionsgrößen gibt eine Tabelle in Prozentangaben den Anteil eines Nährwertes am "Richtwert für die Tageszufuhr" an, welcher aber selbst gewählt ist. Dennoch wurde dieser Vorschlag 2010 vom europäischen Parlament übernommen.

Erst Ende 2016 wurde diese Vorschrift verschärft. Hersteller müssen nun auf allen verpackten Lebensmitteln die Menge von Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz sowie den Kaloriengehalt bezogen auf 100 g bzw. 100 ml angeben. Foodwatch fordert die Lebensmittelampel als nächsten übersichtlichen und verbraucherfreundlichen Schritt.