Angst hab ich nie gehabt

Auf ihrer Reise begegnete Karen den unterschiedlichsten Menschen, Jüngeren und Älteren, unterwegs als Paar oder in Gruppen. Mit uns hat sie über ihr Reisetagebuch für die Daheimgebliebenen und den entspannenden Effekt der Verantwortungslosigkeit gesprochen. Und nebenbei noch ein paar Insider-Reisetipps verraten...

amicella: Wie bist du auf die Idee gekommen, alleine zu verreisen?

Karen: Das hat sich situationsbedingt ergeben. Mein Mann befand sich zu der Zeit in einem Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber, war also zu Hause. Zu Anfang seiner Freistellung ist er selber nach Mexiko gereist und es war seine Idee, dass auch ich von der Situation profitieren und verreisen sollte - finanziell war es ja drin. Man ist die letzten Jahre doch ziemlich eingebunden gewesen mit den Kindern.

Und warum ist deine Wahl ausgerechnet auf Südostasien als Reiseziel gefallen?

Im ersten Impuls wollte ich gerne nach Südamerika und war eigentlich schon ziemlich überzeugt, nach Peru und Chile zu reisen, in Venezuela war ich bereits. In Südamerika ist das Reisen im Allgemeinen (auch als Paar, zu zweit) allerdings nicht ganz so relaxed wie in Südostasien, da man sich an mehr Regeln halten muss – man darf nicht überall hingehen, man wird eher mal ausgeraubt... Zu zweit fühlt man sich nicht so leicht angreifbar und ist daher auch nicht so angespannt, doch meiner Meinung nach ist es als alleinreisende Frau weniger entspannend durch Südamerika zu reisen. Asien hingegen ist als Ziel prädestiniert für Reisende wie mich. Die Einheimischen machen ausländische Frauen nicht groß an, sondern zeigen Respekt. Angst habe ich nie gehabt, auch nicht als ich nachts eine dunkle Straße entlang gegangen bin.

Musstest du dich überwinden, die Reise letztendlich zu planen? Alleine Reisen ist ja doch eine ganz andere Sache, als mit einer Freundin, der Familie oder einer Reisegruppe unterwegs zu sein...

Es war schon ein komisches Gefühl. Ich bin noch nie vier Wochen am Stück alleine unterwegs gewesen. In Südostasien war ich zwar schon mal, aber eben noch nie alleine. Es ist schon eine andere Form der Verantwortung, alles alleine zu planen und durchzuziehen. Natürlich hatte ich erst überlegt, jemanden mitzunehmen. Es gibt Börsen für Alleinreisende aber die Angebote dort waren alle viel zu spontan. Dann hab ich eine Freundin gefragt, die ursprünglich auch drei Wochen mit wollte, es aber doch nicht schaffte. Da war mir klar, dass ich die Reise alleine mache - und das musste ich dann erst einmal verarbeiten und mich darauf einstellen, schließlich machte ich ja die letzten Jahre Urlaub immer zusammen mit meiner Familie. Doch sobald ich mich an den Gedanken gewöhnt hatte, habe ich mich in die Planung gestürzt!

Und wie haben deine Kinder reagiert als du ihnen eröffnet hast, dass du demnächst eine Weile weg sein wirst?

Ich glaube, dass sie das gar nicht wirklich realisiert haben. Sie leben mehr im Jetzt und für sie ist wichtig, dass einer von uns beiden - also mein Mann oder ich - da ist. Sie sind in ihrem Rhythmus nicht gestört worden, das war für die die Hauptsache. Aus den Augen, aus dem Sinn, würde ich sagen. Meine Kinder sind was das angeht, ziemlich pragmatisch.

Es geht darum, einfach mal wieder ganz für sich zu sein, ohne Verpflichtungen und Verantwortung für andere.

In deinem Reisetagebuch war ein ganz süßer Kommentar: „Liebe Mama, geht es deinem Busen schon besser? Warum hast du dich da nicht vernünftig eingeschmiert?“ Meinst du, man achtet ein bisschen mehr auf sich, wenn die Kinder dabei sind?

Ja, ich glaube schon. Weil du allein einfach raus aus deiner Verantwortung bist. Wenn ich mit den Kindern unterwegs bin, achte ich natürlich immer sehr darauf, dass sie gleich morgens früh von Kopf bis Fuß eingeschmiert werden. Dann schmiert man sich ja automatisch gleich mit ein. Bei dieser Reise hatte ich ja keine Verantwortung für die Kinder, und war so unbeschwert und befreit, dass ich schon nachlässig geworden bin, was manche Dinge angeht - zum Beispiel auch die Sonnencreme.

Warst du in den viereinhalb Wochen auch mal krank?

Vier Wochen ist wirklich alles gut gegangen aber zum Schluss hat es mich einmal richtig zersägt. Die Angst, krank zu werden, ist schon ein stiller Begleiter gewesen auf der Reise. Ich hatte ja niemanden, der mir hilft oder der den Rucksack trägt, wenn es weitergehen muss. Als ich dann krank wurde, musste ich auch tatsächlich weiterziehen, um die erste Etappe des Heimflugs nicht zu verpassen. Da habe ich mich schon ziemlich gequält.

Das ist jetzt ja eine ziemlich unangenehme Urlaubserinnerung. Welches schöne Erlebnis ist denn noch am stärksten präsent?

Laos ist super relaxed und es geht alles sehr gemächlich zu, stoisch schon
fast. Am nachhaltigsten hat sich das Zippen (an einem Karabinerhaken am Seil durch den Urwald "fliegen", Anm. d. Red.) von Baumhaus zu Baumhaus in Laos bei mir eingeprägt. Das war für mich das Highlight meiner Reise. Ich hab das vorher noch nie gemacht und als ich das erste Mal loslassen musste, ist mir fast das Herz in die Hose gerutscht. Und plötzlich war ich schon auf der anderen Seite und dachte: Davon kann ich nicht genug haben! Und auch die Kanufahrt im Süden von Laos war schon ziemlich beeindruckend.

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Das sind ja schon Dinge, die du, wenn du mit deiner Familie verreist wärest, wahrscheinlich nicht in dieser Form hättest machen können…

Nein, auf keinen Fall hätte ich das machen können. Für die Zipline und die Übernachtung im Baumhaus wären meine Kinder einfach noch zu klein gewesen. Nicht nur, dass es zu gefährlich für sie gewesen wäre - sie hätten sich auch einfach gelangweilt. Sie hätten auch die Wanderungen, ich zwischendurch gemacht habe, in Kombination mit der Hitze kräftemäßig nicht geschafft. Die Kanufahrt, war schon für mich selbst total anstrengend. Am Tag waren wir sechs bis sieben Stunden unterwegs. Die sengende Hitze hätte ich den Kindern nie zugemutet.

Situationen, in denen ich mich wirklich einsam gefühlt habe, waren sehr selten.

Hat dir denn trotzdem manchmal die Gesellschaft gefehlt auf deiner Tour? So, dass du abends alleine warst und dir gedacht hast, ach, ich würd jetzt gerne mit jemandem zusammen oder mit meiner Familie hier sitzen! Hattest du in dem Sinne Heimweh?

Am Anfang schon. Die ersten Tage waren komisch. Ich kam an und dachte: Karen, was hast du dir nur dabei gedacht? Du sitzt hier in Thailand und deine Familie in Deutschland! Da musste ich erst mal schlucken und mich an die Situation gewöhnen. Aber mit der Zeit habe ich mich an das Alleinreisen gewöhnt. Die Reiseroute, die ich mir ausgesucht habe, machen viele Rucksacktouristen und nach einer Weile hat man raus, in welchen Hotels man absteigen kann: wie Mittelklasse nach nach Lonely Planet, der "Bibel der Rucksacktouristen". Da sind dann viele Reisende, mit denen man sich austauschen kann. Wenn man alleine reist ist man nicht nur viel offener, man wirkt auch auf andere so. Denn man tritt nicht als geschlossene Einheit auf. Man wird einfach von anderen Touristen angesprochen und findet ganz schnell Kontakt. Situationen, in denen ich mich wirklich einsam gefühlt habe, waren sehr selten. Meinen Mann habe ich, wenn es möglich und Netz da war, via Skype angerufen. Wir haben oft telefoniert. Ich wollte ja schließlich wissen, was zu Hause läuft und war neugierig, was mein Mann und meine Kinder zu Hause machen, was gerade für sie aktuell ist. Natürlich habe ich auch viel erzählt. Auch wenn du alleine reist, möchtest du deine Erlebnisse ja nicht nur mit anderen Reisenden, sondern auch mit deiner Familie und Freunden teilen. Das Online-Reisetagebuch habe ich geschrieben, damit meine Familie an meinen Eindrücken und Erlebnissen teilhaben kann. Und ich wollte es für mich selbst als Erinnerung haben, da während der Reise alles noch so frisch ist. Ich fotografiere sehr gerne und für die Kinder waren die Fotos das Wichtigste. Für mein Geschriebenes fehlt ihnen die Ausdauer. Auch deshalb habe ich so viele Fotos gemacht und hochgeladen. Um meinen Kindern einen Eindruck von dem zu vermitteln, was ich auf meiner Reise so den ganzen Tag mache. Total schöne Landschaften zum Beispiel, oder das Erlebnis auf der Zipline. Da habe ich mir schon ein bisschen gewünscht, dass sie sehen könnten, was ich gerade mache. Ich hab davon zwar auch einen Film gedreht, der gibt aber nur einen ganz kleinen Ausschnitt wieder. Auch als ich in diesem Baumhaus geschlafen habe und morgens aufgewacht bin und die Gibbons gehört habe. Diese Baumhaus-Atmosphäre kann man gar nicht einfangen oder beschreiben. Leider.

Und wie hast du deine Abende verbracht?

Meistens bin ich zusammen mit anderen Reisenden aus gewesen, im Restaurant oder auf dem Markt essen und trinken. Dabei haben wir uns z.B. über schon bereiste Ziele und noch bevorstehende Stationen der aktuellen Reise unterhalten. Am nächsten Tag brachen wir dann oftmals in verschiedene Himmelsrichtungen zur nächsten Station auf. Wenn ich mal nicht in der Gruppe unterwegs war, bin ich auch alleine irgendwo hingegangen und habe mir den schönen Sonnenuntergang mit einem Bier in der Hand angeschaut. Oder mein Reisetagebuch geführt und gelesen, das habe ich dann richtig genossen. 

Du bist ja schon ein paar Mal in Südostasien gewesen. Welche Reisziele würdest du denn für Asien-Anfänger empfehlen, die das erste Mal dorthin reisen und noch nicht die Gepflogenheiten kennen und nicht wissen, wie man dort reist? Es ist ja schon sehr speziell und alles scheint nur auf Rucksacktourismus ausgerichtet zu sein…

Ich würde mit Indonesien und Thailand anfangen. Thailand vor allen Dingen auch, weil sie tourismusmäßig am weitesten entwickelt sind. Das ist wie Asien für Anfänger. 

Gibt es Orte, die man unbedingt gesehen haben muss?

Luang Prabang in Laos ist eine sehr hübsche Stadt. Und auch die 4000 Inseln im Süden des Landes. Ich habe überhaupt noch nie einen entspannteren Ort als Laos erlebt. Die Uhr tickt dort einfach langsamer, die Laoten sind nahezu stoisch in ihrer Ruhe - das ist beeindruckend!

Auf welche Besonderheiten oder Gepflogenheiten sollte man sich denn gefasst machen? Was sollte man erwarten - oder auch nicht erwarten, wenn man in diese Region fährt?

Grundsätzlich sollte man alles einfach auf sich zukommen lassen und nichts erwarten. Wir wollen nach festen Regeln und Zeitplänen leben, immer wissen wie spät es ist und wie lange etwas dauert, so was spielt in Asien überhaupt keine Rolle. Die Beziehung zur Zeit ist eine ganz andere, du fragst deinen Guide auf der Kanufahrt wie lange es bis zum Anlegen dauert, er antwortet 20 Minuten und hinterher stellt sich heraus, dass es anderthalb Stunden sind. Man sollte sich einfach anpassen, loslassen und so wie sie in den Tag hineinleben. Hat man das geschafft, ist es wirklich herrlich!

Der Kontakt zu den anderen Menschen und die Gespräche, die man führt waren eine nachhaltige Bereicherung.

Es wirkt so, als wenn die Reise mit all ihren Erlebnissen für dich eine sehr positive Erfahrung war – wirst du jetzt regelmäßiger allein reisen?

Es war eine einmalige Erfahrung auf Grund einmaliger Umstände, die in dieser Form garantiert nicht so schnell - oder nie - wiederkommen. Wahrscheinlich habe ich deswegen alles wirklich ganz bewusst erlebt und genossen. Die Reise hat auch mein Selbstbewusstsein enorm gestärk. Im Grunde genommen läuft Organisation sonst immer im Team, aber hier habe ich die Entscheidungen ganz alleine getroffen: Touren buchen und von A nach B kommen und überhaupt überlegen, was ich machen will. Und auch der Kontakt zu den anderen Menschen und die Gespräche, die man führt waren eine nachhaltige Bereicherung.

Würdest du anderen Leuten empfehlen, diese Erfahrung zu machen, wenn deren Situation es zulässt?

Ja, auf jeden Fall! Es muss ja nicht Südostasien sein. Hat man Lust aufs Meer, fährt man ans Meer. Hat man Lust auf die Berge - in die Berge. Es geht darum, einfach mal wieder ganz für sich zu sein, ohne Verpflichtungen und Verantwortung für andere.